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© Felix Schmitt/Bildungsstätte Anne Frank
Anne Frank: Die Welt langsam verändern
veröffentlicht 11.02.2025
von Rita Haering
Vor 80 Jahren endete das Leben von Anne Frank im KZ Bergen-Belsen. Ihre bewegenden Gedanken aus ihrem weltberühmten Tagebuch sind heute so bedeutungsvoll wie nie. Pfarrer Goetze, Experte für interreligiösen Dialog, erinnert uns daran, wie wichtig ihre Botschaften sind und legt sie uns eindringlich ans Herz.
„Ich lebe in einer verrückten Zeit.“ Dieser Satz ist vielleicht so mancher und manchem durch den Kopf gegangen. Es waren die Worte des jüdischen Mädchens und der gebürtigen Frankfurterin Anne Frank, die durch ihr Tagebuch weltweit berühmt wurde, in das sie in einem Amsterdamer Hinterhaus Anfang der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts schrieb. Diese Zeit war nicht nur verrückt, sondern lebensgefährlich – vor allem für Jüdinnen und Juden. Deshalb hatten sich Anne, ihre Familie und weitere Menschen damals als Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland in einem Hinterhaus in den Niederlanden versteckt. Zu acht lebten sie auf 50 Quadratmetern. Doch das Versteck wurde entdeckt. Anne Frank wurde in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz gebracht und schließlich in das Lager Bergen-Belsen verlegt. Mit 15 Jahren starb Anne Frank im Februar oder März 1945 in Bergen-Belsen aufgrund der verheerenden Lebensbedingungen, vermutlich an Fleckfieber oder Typhus – vor 80 Jahren.
Das Schicksal Anne Franks – und seine Bedeutung heute
Anne Franks Gedanken, ihre Wünsche und Hoffnungen bleiben durch ihr berühmtes Tagebuch für uns heute erhalten. „Anne Franks Worte zeigen uns heute: Wir dürfen nicht wegsehen, wenn die Menschenwürde verraten wird. Wir müssen unsere Stimme erheben, wenn Menschen aufgrund ihres Glaubens, ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihres Geschlechts diskriminiert, verfolgt werden oder um ihr Leben fürchten müssen“, erklärt Pfarrer Dr. Andreas Goetze.
„Jede Form der Ausgrenzung von Menschen oder Gruppen ist mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar.“
Pfarrer Dr. Andreas Goetze
Andreas Goetze ist einer von zwei Referenten im Fachbereich interreligiöser Dialog im Zentrum Oekumene der EKHN und EKKW und verrät, welche Bibelstelle für ihn dabei besonders wegweisend ist: „Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.“ (Sprüche 31,8). Pfarrer Goetze betont: „Jede Form der Ausgrenzung von Menschen oder Gruppen ist mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar.“
Anne Franks Botschaft an uns
Bereits als Jugendliche erkannte Anne Frank: „Um die Zukunft aufzubauen, muss man die Vergangenheit kennen.“ Ein Plädoyer, sich mit den Schrecken des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen und sich für eine friedlichere Welt zu engagieren.
Anne Frank schreibt auch: „Wie wunderbar ist es, dass niemand eine Minute zu warten braucht, um damit zu beginnen, die Welt langsam zu verändern.“ Ihr Anliegen wurde gehört. Heute setzt sich dafür die „Bildungsstätte Anne Frank“ in Anne Franks Geburtsstadt Frankfurt am Main mit Lernlaboren, Ausstellungen, Workshops und Bildungsangeboten ein. Die Angebote sollen Jugendliche und Erwachsene für Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit sensibilisieren und die Teilnehmenden für eine demokratische Gesellschaft stärken.
Appell aus der „Bildungsstätte Anne Frank“ zu heutigem, rechtsextremem Gedankengut
Vor der Bundestagswahl und vor dem Hintergrund heutiger rechtsradikaler und rechtspopulistischer Äußerungen appelliert Dr. Deborah Schnabel, Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank: „Die Geschichte zeigt: Faschismus braucht nicht die Zustimmung der Mehrheit, um gefährlich zu werden. Er lebt von der Apathie der Vielen und der Entschlossenheit einer lautstarken Minderheit, menschenfeindliche Politik durchzusetzen.“ Deshalb fordert sie jede und jeden auf, politisch zu sein und „aktiv für den Erhalt unserer demokratischen Werte und unserer pluralen Gesellschaft eintreten.“ Deborah Schnabel zeigt sich besorgt, dass der Widerstand gegen rechtsextreme Positionen, die vielbeschworene Brandmauer der demokratischen Parteien gegen rechts, infrage gestellt werde. Deshalb stelle das Bildungszentrum an die etablierten Parteien die Forderung, die extrem rechten Positionen nicht zu übernehmen.
Anne Franks Leben begann in Frankfurt am Main
Rückblick: Anne Franks Leben begann am 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main relativ unbeschwert. Über Jahrhunderte hinweg hatten ihre Vorfahren bereits in der Mainmetropole gelebt. Annes Familie lebte im Stadtteil Dornbusch und gehörte dem Reformjudentum an. Die kleine, lebhafte Anne spielt mit jüdischen, evangelischen und katholischen Kindern (mehr im Youtube-Video: Anne Frank - Familie Frank in Frankurt am Main). Vor allem der Vater förderte die Bildung seiner Töchter. Durch die Machtergreifung der NSDAP 1933 änderte sich alles.
„Ich denke nicht an all das Unglück, sondern an all die Schönheit, die noch übrig ist.“
Anne Frank
Noch in diesem Jahr flüchtete die Mutter mit ihren Töchtern zunächst nach Aachen, der Vater zog nach Amsterdam, um eine Niederlassung für eine Geliermittelfirma aufzubauen, für die er arbeitete.
Jahre im Versteck
Im Jahr darauf folgten ihm Anne, ihre Schwester und ihre Mutter nach Amsterdam. Nach der Besetzung Hollands durch die Deutschen zeigte sich schnell, dass auch hier Jüdinnen und Jude diskriminiert und verfolgt wurden. Wie sie diese Zeit erlebte, schrieb die belesene und intelligente Anne in ihr Tagebuch, das sie am 12. Juni 1942 zu ihrem Geburtstag bekam. Schließlich versteckte sich die Familie in einem Hinterhaus in der Amsterdamer Prinsengracht 263. Über zwei Jahre konnten sie sich dort auf engem Raum verbergen, bis sie entdeckt und in Konzentrationslager gebracht wurden. Nur der Vater Otto Frank überlebte, der auch das Tagebuch seiner Tochter fand und veröffentlichen ließ.
Um an Anne Frank zu erinnern, sind mehrere Schulen und Straßen nach ihr benannt. Laut Presseberichten wurde ihr Tagebuch in 70 Sprachen übersetzt und mehr als 30 Millionen Mal verkauft.
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