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Passionszeit - bewusst werden über das Leid aus Lieblosigkeit
veröffentlicht 14.02.2024
von Online-Redaktion der EKHN
Die 40-tägige Fasten- und Passionszeit erinnert an das Leiden und Sterben Jesu. Damit lädt sie dazu ein, sich existenziellen Fragen zu widmen, deren Antworten sich auf das Leben heute auswirken können.
Warum leiden manche Menschen? Wer steht mir in meiner Angst bei? Wie zeigt sich Gott? Die 40-tägige Fasten- und Passionszeit lädt ein, sich mit Grundfragen des Lebens auseinander zu setzen. Die Fastenzeit beginnt am Aschermittwoch, dem 5. März 2025. Nach sieben Wochen endet die Fastenzeit am Karsamstag, dem 19. April 2025. Damit umfasst sie auch den Palmsonntag, den Gründonnerstag, den Karfreitag und Karsamstag. Die Fastenzeit wird auch Passionszeit genannt. Die Bezeichnung dafür leitet sich vom lateinischen Begriff „passio“ ab, der mit Leiden übersetzt wird. Während der Passionszeit erinnern Christinnen und Christen an das Leiden Jesu, über das die Passionsgeschichte der Bibel berichtet. Sie erzählt von Verrat, der Verurteilung Jesu, seinem Weg ans Kreuz und seinen Tod.
Während der Fastenzeit regen evangelische Fastenaktionen dazu an, eine neue Perspektive auf den Alltag zu werfen.
Die Passionsgeschichte
Die biblische Passionsgeschichte beginnt mit dem letzten Besuch Jesu in Jerusalem. Er reitet auf einem Esel in die Stadt ein. Für die Leute damals ist es das Zeichen: Hier kommt der Retter, den die Propheten angekündigt haben. Sie jubeln Jesus zu und schwenken Palmzweige wie für einen König. Jesus ist in Jerusalem vermutlich vier Tage lang aufgetreten. Was er sagt und macht, provoziert die religiöse und politische Obrigkeit. Sie klagen Jesus wegen Gotteslästerung an. In den Augen der Römer ist er ein gefährlicher Unruhestifter. Dabei hatte Jesus zuvor über die Liebe zu Gott, zu seinen Nächsten und zu sich selbst gepredigt. Allerdings äußert er auch deutlich Kritik, zum Beispiel gegen die Geschäftemacherei im Tempel; Schriftgelehrte bezeichnet er als Heuchler. Damit macht er sich Feinde.
Jesus ist zum Passahfest nach Jerusalem gekommen, und das feiert er mit seinen Jüngern. Das Passah-Essen wird zum Abschied, zum letzten Abendmahl, das Christinnen und Christen bis heute feiern zur Erinnerung an Jesus und zu seiner Vergegenwärtigung. Danach geht Jesus mit seinen Jüngern in den Garten Gethsemane. Er bittet sie, mit ihm zu wachen und zu beten. Die Jünger schlafen ein. Jesus betet allein. Er hat Angst vor dem, was auf ihn zukommt, und bittet Gott: „Lass diesen Kelch an mir vorübergehen! Aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ Dann kommen Soldaten in den Garten Gethsemane. Judas, ein Jünger von Jesus, verrät ihn mit einem Kuss. Die Soldaten verhaften Jesus, seine Jünger fliehen. Jesus wird verhört und zum Tod am Kreuz verurteilt. Mit zwei Räubern wird er hingerichtet und stirbt. Nach drei Tagen soll sich laut biblischer Überlieferung das Unfassbare ereignet haben: Jesus ist von den Toten auferstanden. Das feiern Christinnen und Christen an Ostern.
Bedeutung: Was verstehen Christinnen und Christen unter der Fasten- und Passionszeit?
epd-Video: Was hat fasten mit dem Glauben zu tun?
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Gott erfährt tiefstes Leid
Die Bilder der aktuellen Nachrichten zeigen auch heute tiefstes menschliches Leid. Nach christlichem Verständnis hat Gott selbst in Jesus erfahren, was Menschen einander antun können. Diese Vorstellung leitet sich so ab: Jesus hat über sich selbst oft als „Menschensohn“ gesprochen. Nach christlichem Verständnis ist Jesus „wahrer Mensch und wahrer Gott“. So hat es das Konzil von Chalkedon (451 n. Chr.) formuliert. Das heißt: Jesus ist Mensch aus Fleisch und Blut und fühlt wie ein Mensch. Gleichzeitig war er göttlicher Natur, Gottes Sohn. In Jesus am Kreuz erfährt Gott tiefstes menschliches Leid und Ungerechtigkeit. Aus der Sicht vieler evangelische Theolog:innen zeigt Gott damit, dass er an der Seite der Menschen ist, die Unrecht erleiden, die Opfer werden von Terror, Gewalt und Krieg.
Jesus, wahrer Mensch und wahrer Gott, wird hingerichtet und stirbt. Das stellt die Vorstellung eines machtvollen Gottes komplett auf den Kopf.
Lieblosigkeit hat Folgen
Der Theologe Wilfried Härle schreibt, dass Gott damit sich selbst zugunsten des „verlorenen Menschen“ geopfert habe. Als verloren oder „sündig“ bezeichnet der Theologe, wenn Menschen unfähig zur Liebe sind. Denn Lieblosigkeit habe Folgen, die andere Menschen „völlig unschuldig“ treffen könnten. Zum Beispiel: Wer als Kind keine Liebe erfahren hat, leidet oft noch als Erwachsener darunter. Und die negativen Erfahrungen mit Beziehung können an die nächste Generation weitergegeben werden. Wenn in Wirtschaft und Politik einzelne Firmen oder einzelne Länder lieblos und ohne Rücksicht ihre Machtinteressen durchsetzen, kann das bei den anderen zu Armut, Abhängigkeiten und Konflikten führen.
Gottes Liebe ist so groß, dass sie selbst ihre Verleugnung einschließt
Jesus hat Liebe gepredigt und gelebt. Er wurde selbst Opfer von Lieblosigkeit. Die Grausamkeit, zu der Menschen fähig sind, hat ihn ans Kreuz gebracht. Was bedeutet vor diesem Hintergrund der im Christentum häufig verwendete Satz: "Jesus ist für unsere Sünden gestorben?" Viele verstehen den Satz so: In seinem Leiden und Sterben hat Jesus die Sünde – also Gedanken und Handlungen, die sich gegen die Liebe richten – bewusst getragen. Der Grundlagentext der EKD "Für uns gestorben" erklärt dazu: Wenn jemand sich zu Lebzeiten von Gott und der Liebe getrennt hat, "wird durch `seinen´ Tod hindurch hineingenommen in ein neues Leben, er wird `entsündigt´ und versöhnt mit Gott." In dieser Vorstellung kann die Kraft zur Verarbeitung von Lieblosigkeit liegen. Wilfried Härle schreibt: „Im Leiden und Sterben Jesu Christi erweist sich die Liebe als diejenige alles bestimmende Wirklichkeit, die auch noch ihr eigenes Verleugnet- und Verratenwerden umfängt und es so, ohne es zu bagatellisieren, überwindet.“ Gott selbst erleide den Schmerz darüber. Aber mit der Auferweckung Jesu von den Toten offenbart Gott: Die Liebe ist stärker als die Gewalt. Die Liebe ist stärker als der Tod.
Zeit, um in sich zu gehen
Die Passionszeit lädt dazu ein, sich wesentlichen Fragen liebevoll und verständnisvoll zu widmen:
- In welchen Situationen ist die eigene Liebesfähigkeit blockiert?
- Was hat dazu geführt?
- In welchen Situationen empfinde ich Liebe?
- Wie lässt sich der Platz für Erfahrungen der Liebe erweitern?
- Wie kann ich mit Menschen, die unter Lieblosigkeit leiden, sprechen und sie unterstützen?
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Liebesfähigkeit kann schmerzhaft sein. Aber sie ist ein erster Schritt zur Heilung. Dazu ermutigt die Passionszeit.
Fasten während der Passionszeit
Die Passionszeit heißt auch Fastenzeit: Fasten als Vorbereitung auf Ostern. Im christlichen Sinn gilt Fasten als Ausdruck tätiger Buße. Die Reformatoren haben kritisiert, dass Menschen glaubten, sie würden durch Fasten frömmer. Die Gnade Gottes lässt sich nicht durch Fasten verdienen. Fasten kann trotzdem gut sein. Martin Luther hat die sieben Wochen vor Ostern als Zeit zur Meditation über Christi Leiden und Tod verstanden. Heute beteiligen sich allerdings viele evangelische Christ:innen an Fastenaktionen.