Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
Im Hintergrund der Stoff einer Tarnuniform, darüber ein Symbol mit Glühbirne

© gettyimages, huettenhoelscher, alona horkova

Was hat es mit dem Auswahlwehrdienst und der Kriegsdienstverweigerung auf sich? Eine Schulung informiert.

Auswahlwehrdienst: Schulung für Gemeinden und Stellungnahme

veröffentlicht 10.07.2024

von Rita Haering

Von dem geplanten Auswahlwehrdienst sind auch junge Mitglieder der Kirchengemeinden betroffen. Wie können kirchlich Mitarbeitende im Gespräch mit jungen Leuten damit umgehen? Was gibt es Wissenswertes zum Thema Kriegsdienstverweigerung? Eine Schulung sowie eine Stellungnahme verschaffen erste Orientierung.

Auch evangelische Kirchenmitglieder im wehrdienstfähigen Alter werden einen Brief mit einem Fragebogen zugeschickt bekommen. Diese Maßnahme ist ein erster Schritt, um den Auswahlwehrdienst einzuführen. Das Bundesverteidigungsministerium möchte das neue Modell für den Wehrdienst umsetzen, weil sich die Bedrohungslage in Europa verschärft hat. Zudem soll damit die Bundeswehr personell aufgestockt werden.

Damit tauchen neue Fragen in der Jugendarbeit, im Konfiunterricht und im Gemeindeleben auf. Für Gemeindepädagog:innen und Pfarrer:innen plant deshalb das Friedenspfarramt in Kooperation mit der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) ein Schulungsangebot:

Eine evangelische Friedens-Position zum Auswahlwehrdienst

Die Friedensverbände Aktionsgemeinschaft Dienst für die Frieden (AGDF) und Evangelische Arbeitsgemeinschaft für KDV und Frieden (EAK) begrüßen, dass Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius keine Form der allgemeinen Wehrpflicht in Friedenszeiten anstrebt, sondern die Entscheidung für den sogenannten Dienst an der Waffe grundsätzlich freiwillig bleibt. Zugleich setzen sie sich dafür ein, dass zivile Friedensdienste größere Anerkennung und Unterstützung durch Staat und Gesellschaft erfahren.

Forderung: Keine Rekrutierung Minderjähriger

Nach Pistorius soll der Wehrdienst attraktiver gemacht werden. Die Friedensverbände weisen nachdrücklich darauf hin, dass diese Entscheidung in vollem Bewusstsein dessen getroffen werden muss, was der Beruf als Soldat oder Soldatin mit sich bringt. Daher ist nicht nur der Dienst und die Ausbildung an der Waffe für unter 18-Jährige abzulehnen, sondern auch die Rekrutierung Minderjähriger. Insofern ist wichtig, dass junge Menschen nur nach Vollendung ihres 18ten Lebensjahres angeschrieben werden.
Die beiden Friedensverbände lehnen ab, dass Jugendoffiziere der Bundeswehr in Schulen zu politischem Unterricht herangezogen werden, auch wenn sie nicht unmittelbar Personalwerbung für die Bundeswehr betreiben dürfen.

Kriegsdienstverweigerung soll allen Betroffenen offensteht

Öffentliche Äußerungen auch aus Kreisen der Union deuten darauf hin, dass die von Bundesminister Pistorius vorgestellten Maßnahmen wie eine Wehrerfassung und die Musterung von jungen Menschen, die sich freiwillig für einen Wehrdienst entscheiden, nur ein erster Schritt sind und weitere Schritte nach der Bundestagswahl 2025 zu erwarten sind.

In jedem Fall muss aber gewährleistet sein, dass die reale Möglichkeit nach GG Art. 4 Abs. 3 den Kriegsdienst zu verweigern allen Betroffenen offensteht, auch und gerade für den Spannungsund Verteidigungsfall. Die Friedensverbände begrüßen ausdrücklich die dahingehende Aussage von Minister Pistorius in der Bundespressekonferenz.

Kirchen beraten bei Gewissensfragen

Mitglieder der EAK in den evangelischen Landes- und Freikirchen werden auch weiterhin all diejenigen beraten, die einen Dienst an der Waffe nicht vor ihrem Gewissen verantworten können.

Empfehlung, zivile Friedens- und Freiwilligendienste zu stärken

Auch die beiden Friedensverbände nehmen enormen Herausforderungen hinsichtlich globaler Krisen wahr (Klimawandel, Flucht, gewaltsame Konflikte, Demokratie-Gefährdung). Allerdings vertreten sie die Auffassung, das ein rein sicherheitspolitischer Blick hier nicht nur zu kurz greift, sondern umfassende Lösungswege verhindert.
Eine adäquate Antwort auf die Herausforderungen weltweit sei die Stärkung ziviler Friedens- und Freiwilligendienste. „Wir brauchen mehr Friedensfachkräfte wie die im Zivilen Friedensdienst, die eingebettet in die Arbeit von zivilgesellschaftlichen Partnern weltweit einen Beitrag zur gewaltlosen Konflikttransformation leisten. Und wir brauchen mehr Menschen, die sich freiwillig engagieren, für ein Jahr einen Dienst für die Gesellschaft in Deutschland oder weltweit zu leisten“, heißt es in einer Mitteilung.  Die Fokussierung der politischen Debatte auf die Truppenstärke der Bundeswehr und den Aufbau von Reservestrukturen der Armee sei nicht dienlich beim Aufbau einer friedenstüchtigen Gesellschaft.

Pfarrerin i. R. Sabine Müller-Langsdorf

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