© Tent of Nations
Nahost-Konflikt: Christliches Palästinenserprojekt „Zelt der Nationen“ wirbt um Verständigung
veröffentlicht 25.06.2024
von Online-Redaktion der EKHN / Volker Rahn
Nach der verheerenden Terrorattacke der Hamas auf Israel und der militärischen Reaktion der israelischen Regierung im Oktober 2023, kann sich auch hierzulande kaum jemand dem fortschreitenden Konflikt in Nahost entziehen. Doch wie damit umgehen? Der Initiator des christlich-palästinensischen Friedensprojektes Zelt der Nationen (“Tent of Nations”) war in Hessen-Nassau zu Gast und sagt: „Wir weigern uns, Feinde zu sein."
Die Augen der Welt sind im Nahostkonflikt vor allem auf die militärischen Auseinandersetzungen in Gaza und den Norden Israels gerichtet. Aber auch im Westjordanland gibt es zum Teil tödliche Zusammenstöße zwischen israelischen Militärs und Palästinensern. Gegenwärtig leben in dem Gebiet rund 2,7 Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser sowie 468 Jüdinnen und Juden.
Christlich-palästinensiche Begegnungsstätte "Zelt der Völker" verbindet Menschen
An der Hoffnung auf Frieden hält das Projekt „Tent of Nations“ (Zelt der Völker) in der zerrissenen Region fest. Diese Begegnungsstätte bei Bethlehem ist auf dem landwirtschaftlichen Anwesen der christlich-palästinensischen Familie Nassar eingerichtet. Der biologisch-landwirtschaftlichen Familienbetrieb hat sich zu einem Zentrum entwickelt, in dem Menschen zusammenkommen und Brücken bauen. Das „Tent of Nations“ (ToN) bietet Workcamps und Freiwilligenarbeit an, veranstaltet Kindersommerlager und ein Frauenförderungsprogramm.
Betreiber und Mitarbeitende des Projekts fühlen sich bedroht
Allerdings ist das Friedensprojekt immer wieder gefährdet. Das Land ist von Enteignung bedroht und bisher wurden tausende Oliven- und Obstbäume vernichtet. Auch die Eigentümerfamilie wurde attackiert.
„„Wir weigern uns, Feinde zu sein“.“
Tent of Nations / Zelt der Völker
Seit März 2024 haben Israelis begonnen, Straßen auf dem Privatgrundstück zu bauen. Die Familie und Mitarbeitenden des "Tent of Nations" sind äußerst beunruhigt, zumal sie gerade einen Neuregistrierungsprozess für ihr Land durchlaufen müssen.
Konsequentes Engagement für Frieden
Dennoch lebt die Familie Nassar ohne Aggressionen ihren gewaltfreien Widerstand. Der Besatzung und den Angriffen wollen sie als Christinnen und Christen weiterhin Friedfertigkeit und Nächstenliebe entgegensetzen und auf Gottes Gerechtigkeit vertrauen. Diese Haltung strahlt über alle Grenzen hinweg: Nachdem Bäume und Weinreben zerstört worden waren, sind auch Jüdinnen und Juden aus Israel und dem Ausland gekommen, um bei den Neupflanzungen zu helfen. Diese Solidarität schenkt den Menschen vor Ort innere Kraft. 2018 hat Daoud Nassar hat für sein gewaltloses Engagement im Jahr den deutsch-französischen Menschenrechtspreis verliehen bekommen.
Initiator Daoud Nassar in der EKHN zu Gast
Der Initiator des palästinensischen Friedensprojektes “Tent of Nations” war im Juni 2024 in Hessen-Nassau zu Gast. Daoud Nassars Motto lautet: „Wir weigern uns, Feinde zu sein.“ Nassar ist es zudem ein Anliegen, die Stimmen der Christinnen und Christen aus der Region vernehmbar zu machen. Deshalb reist er immer wieder, wie zuletzt durch Deutschland, trifft am Thema Interessierte oder besucht Schulen, wie zuletzt in Büdingen. Geplant ist auch ein Appell an die deutsche Politik, die sich stärker mit diesem Thema auseinandersetzen soll. Hessen-Nassaus Kirchenpräsident Volker Jung imponiert Nassars Haltung: „Er und seine Familie kämpfen mit großem persönlichem Einsatz um ihr Land. Ihr Glaubensmut, ihre Kreativität und ihr Friedenswille sind beeindruckend.“
Nahost-Debatte wird mit großer Greiztheit geführt
Andreas Goetze, Referent für Interreligiösen Dialog im evangelischen Zentrum Oekumene sieht derzeit beim Thema Israel und Palästina eine „große Gereiztheit“. Der Theologe und Dialogexperte warnt gleichzeitig davor, weiter in „Schwarz-Weiß-Mustern“ zu verharren. Zentral müsse es bleiben, das Schablonendenken zu durchbrechen und stattdessen „die Zwischentöne und den Schmerz aller Betroffenen wahrzunehmen“. Der Nahostkonflikt sei seit jeher geprägt von tiefgreifenden Traumata, sagt Goetze. Auf der israelischen Seite stehen dem interreligiösen Experten zufolge die Verwundungen durch die unfassbaren Vernichtungserfahrungen, steigender Antisemitismus und die Verunsicherung durch die anhaltende Infragestellung der politischen Existenz des Staates Israel. Auf der anderen Seite litten Palästinenserinnen und Palästinenser unter dem Trauma der Vertreibung und der fortgesetzten Besatzungs- und Siedlungspolitik Israels sowie der damit verbundenen Perspektivlosigkeit.
Kultur der Empathie im Palästinakonflikt nötig
Goetze wünscht sich stattdessen eine „Kultur der Empathie und des gegenseitigen Verstehens“, die es ermöglicht, die Erlebnisse und Gefühle des Anderen anzuerkennen, ohne sofort in Feindbilder oder Schuldzuweisungen zu verfallen. Er appelliert, in dieser angespannten Situation geschützte Dialogräume zu schaffen, „in denen Menschen sich ohne Aggression und Vorurteile zuhören können“. Dazu gehörten auch wegweisende Projekte, wie das „Tent of Nations“ (Zelt der Völker) von Daoud Nassar in Bethlehem.
Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) über das Friedensprojekt "Tent of Nations"
Für die Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bosse-Huber ist das „Tent of Nations/ „Zelt der Völker“ ein „Ort von besonderer Strahlkraft“. Bosse Huber zeigt sich bestürzt über die aktuelle Entwicklung: „Die vergangenen 7 Monate nach dem Schock des 7. Oktober und den folgenden Verwüstungen des Gazastreifens haben auch die Menschen in der EKD tief bewegt. Viele haben versucht durch Spenden, etwa an die Diakonie Katastrophenhilfe, die humanitäre Versorgung zu unterstützen oder haben sich in Friedensgebeten und Aktionen engagiert. Umso größer ist die Bestürzung vieler Menschen, welchen gewalttätigen Bedrohungen und Zerstörungen das Friedensprojekt „Tent of Nations/Zelt der Völker“ in der Westbank ausgesetzt ist. Das beeindruckende langjährige gewaltlose Friedensengagement der Familie Nassar aus unserer Evangelisch-lutherischen Partnerkirche in Jordanien und dem Heiligen Land ist vielen Menschen in Deutschland, aber auch weltweit bekannt. Ihre Farm bei Bethlehem hat die Familie Nassar zu einem Begegnungsort zwischen Einheimischen und Gästen aus aller Welt gemacht. Ihr Motto „Wir weigern uns, Feinde zu sein“ ist gerade in diesen finsteren Zeiten nicht nur im Heiligen Land von besonderer Strahlkraft. In der EKD werden wir auf allen uns möglichen politischen und ökumenischen Wegen das „Tent of Nations“ nach Kräften unterstützen.“
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