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Demokratie-Sprechstunde: So kann Unzufriedenheit mit Politik zu gesellschaftlichem Engagement werden
veröffentlicht 22.01.2025
von Online-Redaktion der EKHN
Die Politikwissenschaftlerin Nicole Nestler hat mit ihrer Sprechstunde „Demokratiezeit“ in Wiesbaden positive Erfahrungen gemacht. Sie beobachtet, wie sich der Frust über die Politik in Aktivität verwandelt. Sie räumt auch mit der Annahme auf, dass man sich lange in Parteien hocharbeiten müsse, bevor man mitentscheiden könne
Bis zur Bundestagswahl 2025 bietet Nicole Nestler, Fachstelle Gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Dekanat Wiesbaden, die Sprechstunde „Demokratiezeit“ an. Jede und jeder kann vorbeikommen, Sorgen teilen und über Ideen und Hoffnungen rund um die Demokratie sprechen. Interessierte erwartet eine entspannte Atmosphäre, sie können einfach und ohne Anmeldung vorbeikommen. Tee, Kaffee und Kekse gibt es auch.
Frust über Streitereien in der Politik
Nach mehreren Terminen hat Nicole Nestler einen ersten Eindruck, was manchen Menschen im Blick auf Politik und Bundestagswahl auf der Seele brennt: „Einige wirken verunsichert und hilflos. Sie haben Angst vor einem guten Abschneiden der AfD bei der Bundestagswahl. Sie äußern aber auch großen Frust gegenüber etablierten Parteien und der Ampelkoalition.“ Die Besucherinnen und Besucher nennen als Grund unproduktive Streitereien, die das Miteinander in der Politik bestimmen. Das irritiere sie sehr.
Sprechstunde „Demokratiezeit“
- Wann: Montags 12-14 Uhr
- Wo: Wohnzimmer der Evangelischen Familienbildung, 4. Stock, Schlossplatz 4, Wiesbaden
- Keine Anmeldung notwendig
- Zusatztermine: Dienstag, 28.01.25, um 12.30 Uhr, Altes Gericht (Clubhouse) Wiesbaden
Infos und weitere Termine zur Demokratiezeit beim Dekanat Wiesbaden
Sinn politischer Diskurse
Als Politikwissenschaftlerin kann Nicole Nestler hier wertvolle Aufklärungsarbeit leisten: Sie informiert darüber, weshalb es herausfordernd sei, in der Politik Lösungen zu finden. Oft sei das mit längeren Aushandlungsprozessen und Kompromissen verbunden. „Das Ausmaß von Polemik, Schuldzuweisungen und Streitigkeiten innerhalb der jüngst zerbrochenen Regierungskoalition rechtfertige ich damit aber nicht. Das vergiftet das Vertrauen in die Demokratie“, stellt Nicole Nestler klar.
Zuversicht tanken und aktiv werden für Demokratie
Wie Nicole Nestler gegenüber dem epd verdeutlicht hat, gehe es ihr weniger im Detail um den Wahlkampf oder einzelne Parteien, sondern um die Demokratie an sich und was diese ausmache. Es gehe auch darum, aus der eigenen Komfortzone herauszugehen. Auch wenn viele Klagen über die Politik und der Vertrauensverlust verständlich seien, motiviert die evangelische Referentin dazu, aktiv zu werden: „Das freut mich besonders: Am Ende eines Gespräches signalisieren die Menschen neue Zuversicht und wollen schauen, was sie selbst machen können.“ Besonders begeistert ist Nicole Nestler darüber, dass eine:r der Besucher:inne sich als Wahlhelfer:in engagieren will.
Sich lange als Parteimitglied hocharbeiten? Alte Annahme ausgeräumt
Um diesen Elan zu stärken, räumt die regionale Fachstelleninhaberin für gesellschaftliche Verantwortung mit einer alten Annahme auf: „Viele gehen davon aus, dass man sich lange in einer Partei hocharbeiten muss, um Einfluss nehmen zu können. Das ist heute nicht mehr so! Mit dem Eintritt in einer Partei lässt sich durchaus etwas bewegen.“ Gerade in der Kommunalpolitik könne die Entscheidung der Mitglieder einiges bewegen. Viele Parteien sind auf der Suche nach Aktiven.
Um aktiv zu werden, empfiehlt Nicole Nestler grundsätzlich:
- vom Wahlrecht Gebrauch machen,
- in eine Organisation oder Partei, die einen wichtigen Lebensbereich vertritt, eintreten und mitwirken
- Haltung zeigen in Diskussionen mit der Familie und im Kollegen- und Bekanntenkreis, wenn rechtslastige Äußerungen fallen.
Hintergrund über Demokratie-Initiativen
Demokratie-Kampagne „Für alle. Mit Herz und Verstand“
Unter dem Motto „Für alle. Mit Herz und Verstand“ rufen die Kirchen die Bevölkerung auf, durch aktive Teilnahme an den Wahlen die Demokratie zu stärken. In den Mittelpunkt rücken sie dabei die christlichen und gesellschaftlichen Werte „Menschenwürde“, „Nächstenliebe“ und „Zusammenhalt“. Die Sprechstunde „Demokratiezeit“ unterstützt mit ihrem Angebot auch diese Werte.
VerständigungsOrte
Die Sprechstunde „Demokratiezeit“ ist ein Angebot, das die Idee der #VerständigungsOrte aufgegriffen hat. Diese evangelische Initiative regt dazu an, unterschiedlichste Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen. Kirchengemeinden, evangelische Akademien sowie kirchliche und diakonische Einrichtungen sind aufgerufen, entsprechende Angebote zu machen, wofür es Unterstützungsmaterialien gibt.
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