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Kirchen stärken Zivilgesellschaft – aber Kirchenbindung nimmt weiter ab
veröffentlicht 14.11.2023
von Online-Redaktion der EKHN
Die aktuelle Kirchenmitgliedschafts-Untersuchung zeigt, dass die Reichweite der Kirchen in die Gesellschaft hinein weiterhin groß ist. Allerdings nehmen die Kirchenbindung und Religiosität ab. Was nun?
Die EKD hat am 14. November 2023 die Ergebnisse ihrer sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) veröffentlicht. Sie trägt den Titel „Wie hältst du’s mit der Kirche?“ und zeigt die Einstellungen der Menschen in Deutschland zu Religion und Kirche, ihre Erfahrungen mit kirchlichen Angeboten und ihre Erwartungen an die Kirche in der Zukunft. Mehr als 5000 Menschen wurden repräsentativ vom Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt. Erstmals beteiligte sich auch die katholische Kirche an der Untersuchung.
Kirchenbindung und Religiosität gehen zurück
Der hessen-Nassauische Kirchenpräsident Volker Jung, der auch Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung ist, erklärt eines der zentralen Ergebnisse der Untersuchung: "Kirchenbindung und Religiosität gehen zurück.“ Dabei geht der Kirchenpräsident davon aus: „Wer aus der Kirche austritt, sucht in der Regel keine neue religiöse Bindung. Ohne kirchliche Bindung nimmt deshalb bei vielen Menschen auch der Glauben ab." Tatsächlich gehören zur Gruppe der kirchlich-religiös orientierten Menschen 13 Prozent der Bevölkerung in Deutschland, während die säkular eingestellten Menschen mit 56 Prozent die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen. Sie geben an, dass Religiosität in ihrem Leben keine Rolle spielt.
Wie soll sich die Kirche verändern? Das schlagen Bürgerinnen und Bürger vor
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Sprach- und Handlungsfähigkeit neu lernen
Nach Auffassung des Kirchenpräsidenten habe die Untersuchung aber auch gezeigt: Wer religiös sei, lebe dies bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem kirchlichen Kontext. Volker Jung stellt fest: „Über Religion spricht man in der Kirche. Mit dieser Form der religiösen Kommunikation sind wir aber zunehmend in einer Minderheit.“ Umso wichtiger sei „was und in welcher Weise“ Kirche rede und handele. Jung: „Damit wir gehört und verstanden werden, ist es nötig, diese Sprach- und Handlungsfähigkeit aktuell neu zu lernen“. Um Menschen zu erreichen, schlägt Kirchenpräsident Jung vor, dass sich „Kirche glaubwürdig Lebensfragen zuwenden und dabei einen religiösen Horizont öffnen muss.“
Auch nach der Konfirmation im Gespräch bleiben
Kirchenpräsident Jung erläutert, dass die Konfirmationszeit von vielen auch rückblickend als sehr wichtig eingeschätzt werde. Deshalb empfiehlt er: "In dieser Zeit und in der Zeit danach kann Kirche viel tun, um junge Menschen in ihrem Glauben zu stärken. Auch ein guter, dialogischer Religionsunterricht ist wichtig." Ebenso ist Anna-Nicole Heinrich, Präses der EKD-Synode, überzeugt: „Auch heute ist es nach wie vor möglich, junge Menschen für Religion zu begeistern.“ Die Ratsvorsitzende der EKD Annette Kurschus betonte, dass die aktuelle Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung bestätige, "wie wichtig es ist, dass wir uns in der kirchlichen Arbeit in besonderem Maß auf die jüngsten Generationen konzentrieren. Denn in Kindheit und Jugend werden Weichenstellungen für spätere Einstellungen zu Glaube, Religion und Kirche gelegt. Die Studie zeigt, welch ein prägender Faktor eine frühe kirchliche Sozialisation ist."
Gesellschaftliche Bedeutung der Kirche
Als weiteres wichtiges Ergebnis der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung nennt der Kirchenpräsident: "Kirche trägt erkennbar zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei. Die soziale Reichweite der Kirchen ist nach wie vor groß." Das bestätigen beispielsweise die Kontakthäufigkeiten: So hatten 35 Prozent der Bevölkerung in den letzten zwölf Monaten Kontakt zu einer kirchlichen Einrichtung. Wer von solchen Kontakten berichtet, stuft diese zu 52 Prozent als „eher wichtig“ für den Lebensalltag ein. Die soziale Reichweite der kirchlich Mitarbeitenden ist noch größer als die der Einrichtungen: 45 Prozent der Bevölkerung gaben für die letzten zwölf Monaten solche Kontakte an. Quantitativ am bedeutsamsten sind darunter die Kontakte zu Pfarrpersonen und Seelsorger:innen sowie zu kirchlichen Mitarbeitenden in der Jugend-, Familien-, Senioren- oder Sozialarbeit. EKD-Präses Heinrich schlägt vor: „Als Kirche müssen wir deshalb sowohl die religiösen als auch die sozialen Angebote stärken“. Erfreut bemerkt Kirchenpräsident Jung: "Das ehrenamtliche gesellschaftliche Engagement von kirchlich religiösen Menschen ist höher als in der Gruppe der nicht religiös gebundenen Menschen."
Hohe Erwartungen an Veränderungen in den Kirchen
Die Haltung der Bevölkerung hat Folgen für die Kirchen. „Die Kirchen stehen vor multiplen Krisen und sehen sich großen Reformerwartungen ausgesetzt“, heißt eine der Schlussfolgerungen der Untersuchung. Kirchenpräsident Volker Jung hebt hervor, dass die Untersuchung hohe Erwartungen an die Kirche berge. So gingen beispielsweise 80 Prozent der Evangelischen davon aus, „dass Kirche sich grundlegend verändern muss, wenn sie eine Zukunft haben will“. Allein ein solches Ergebnis zeige, wie wichtig es sei, „mehr über den Blick der Menschen auf die Kirche, ihre Verbundenheit, ihr Vertrauen und ihre Erwartungen zu erfahren“. Hoch sei zudem die Erwartung, dass Kirche Beratungsstellen betreibt, sich für Geflüchtete und die Aufnahme von Geflüchteten einsetze oder sich für den Klimaschutz engagiere.
Strukturwandel der Kirche hat begonnen und wir fortgesetzt
Den Strukturwandel hat die EKHN bereits mit dem Reformprozess „ekhn2030 - Licht und Luft zum Glauben“ begonnen. Er verfolgt das Ziel, notwendige Einsparungen umzusetzen und die EKHN fit für die Zukunft zu machen.
Abschließend erklärt Kirchenpräsident Volker Jung: "Die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung gibt keine eindeutigen Handlungsanweisungen. Sie erhebt Daten zu Einstellungen, Erwartungen und zur religiösen Praxis. Die müssen dann interpretiert werden. So lassen sich Perspektiven für die Kirchenentwicklung gewinnen."
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