EFHN / Frauenhilfe Babenhausen
Geschichte der Evangelischen Frauenhilfe
veröffentlicht 20.10.2023
von Heike Gels
Seit über 100 Jahren leben Frauen in der EKHN gemeinsam ihren Glauben. Organisiert in Frauenverbänden wirken sie mit ihrer Arbeit weit in die Gesellschaft hinein. Ob Weltgebetstag, Hilfe für Familien in Not, Spendensammlungen oder frauenpolitische Arbeit – ohne Frauen wäre Kirche vor Ort undenkbar.
Wie alles begann: Die Gründungsjahre (1900 - 1914)
Um die Jahrhundertwende begannen evangelische Frauen vermehrt sich selbständig kirchlich zu organisieren. Frauen mischten sich in örtliche soziale und wohlfahrtpflegerische Belange ein. Sie taten das mit klarem Bezug auf ihre christlichen Ideale – und aus der Sicht von Frauen. Um ihre Arbeit zu stärken, wurde am 1. Januar 1899 unter dem Protektorat der Kaiserin Auguste Viktoria die Evangelische Frauenhilfe in Deutschland gegründet.
Auch in Hessen und Nassau schlossen sich Frauengruppen zusammen: 1900 gründete sich in Nassau die erste „Frauenhülfe des Evangelisch-Kirchlichen Hülfsvereins“, 1907 entstand der Verband Evangelisch-Kirchlicher Frauenvereine in Hessen e.V. Aus der individuellen christlichen Liebestätigkeit wurde gesellschaftliches soziales Engagement: Evangelische Frauen kümmerten sich um Arme und Kranke, sie errichteten Kindergärten und sammelten Spenden für Kirche und Diakonie.
Mit Selbstbewusstsein durch Krisen: Erster Weltkrieg und Weimarer Republik (1914 - 1933)
Während des Ersten Weltkriegs gelang der Evangelischen Frauenhilfe eine beispiellose Mobilisierung der Basis. Die Mitgliederzahlen stiegen eindrucksvoll. Der Schwerpunkt der Arbeit lag an der „Heimatfront“: Die Frauenhilfe betreute Frauen und Kinder gefallener Soldaten, organisierte Unterkünfte für Stadtkinder und half Müttern dabei, Arbeit zu finden. Als Gemeindeschwestern und Diakonissen arbeiteten die Frauen in den Lazaretten, bildeten Krankenpflegerinnen aus und leisteten seelischen Beistand. Ihr Einsatz fand viel öffentliche Anerkennung und bereitete den Weg für ihr politisches Engagement in der Weimarer Republik.
Mit der Verfassung der Weimarer Republik erhielten Frauen erstmals das Wahlrecht. Sie konnten wählen und sich wählen lassen – auch in kirchliche Gremien. Für viele evangelische Frauen begann damit ihr kirchenpolitisches Engagement: Sie nutzten die Verbandsstrukturen, um Frauen zu informieren und für die politische Arbeit zu motivieren. Der hessische Landesverband gehörte 1918 zu den Gründungsmitgliedern der „Vereinigung Evangelischer Frauenvereine Deutschlands e.V.“, die deutschlandweit alle evangelischen Frauenverbände zusammenführte.
Nach dem Einbruch der Mitgliederzahlen in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg erholten sich die Landesverbände in Nassau und Hessen Mitte der zwanziger Jahre wieder. Sie wandten sich neuen Aufgaben zu: der Müttererholung. 1928 kaufte der hessische Verband (damals rund 38.000 Mitglieder) das Müttererholungsheim in Trautheim, 1933 der nassauische Landesverband (20.000 Mitglieder) eines in Eppstein.
Zwischen Anpassung und Selbstbehauptung: Nationalsozialismus (1933 - 1945)
Wie die meisten Deutschen glaubten viele evangelische Frauen zu Beginn des Jahres 1933 an die Ziele der Nationalsozialisten. Ein Jahr später, im sogenannten Kirchenkampf, stellten sich die Verbände der Frauenhilfe auf die Seite der Bekennenden Kirche, ohne sich ihr organisatorisch zu unterstellen. Beiden Verbänden gelang es, ihre Selbstständigkeit trotz zahlreicher Übernahmeversuche von Kirchen- und Staatsbehörden bis zum Ende des NS-Staates zu bewahren.
Zuerst glaubten die Frauen, auch unter dem Regime der Nazis weiterhin sozial-diakonisch tätig sein zu können. Doch es dauerte nicht lange, bis Repressalien gegen Frauenhilfsgruppen in den Gemeinden zunahmen: Gruppentreffen wurden behindert, etliche Pflegestationen mussten an die nationalsozialistische Volkswohlfahrt übergeben werden und ab 1941 sämtliche Kindergärten.
In den Verbänden konzentrierte sich die Arbeit daraufhin auf „die Wortverkündigung und die stillen Werke der Nächstenliebe“. In vielen Gemeinden hielten Frauen das kirchliche Leben aufrecht und übernahmen die Aufgaben der eingezogenen Pfarrer: Sie hielten Kindergottesdienste, Konfirmandenunterricht und Bibelstunden. Für die theologische Bildung der Frauen in den Gemeinden stellten die Landesverbände Gemeindehelferinnen und Vikarinnen ein, so genannte Bibelwanderlehrerinnen. Dabei vollzog sich ein Paradigmenwechsel: Frauen erarbeiteten sich gemeinsam „Deutungsmacht“ über den Text. Nicht mehr, was „eigentlich“ gemeint ist, stand im Zentrum, sondern das, was für Frauen in ihrer jeweiligen Lebenssituation stärkend und ermutigend ist.
Von der Trümmerfrau zur „modernen Hausfrau“: Wirtschaftswunderjahre (1945 - 1968)
Nach Ende des zweiten Weltkrieges übernahmen Frauenhilfsgruppen mit Hilfe der Landesverbände wieder die Trägerschaften der Kindergärten und Pflegeeinrichtungen. Sie halfen bei der Flüchtlingsarbeit und übernahmen Patenschaften in den ostdeutschen Gemeinden. In den 50er Jahren wurde von den Frauen erwartet, dass sie die Verantwortung in Familie, Öffentlichkeit und Kirche wieder in die Hände der Männer legen. Die Hausfrauenehe war das Ideal der Zeit und die Müttergenesungsarbeit wuchs im gesamten Bundesgebiet. Gleichzeitig betraten die evangelische Kirche und evangelische Frauen Neuland in der Ökumene und im Weltgebetstag, wo sie zunehmend auch Fragen der Gleichwertigkeit der Geschlechter diskutierten. 1948 gründete sich die Evangelische Frauenarbeit in Hessen und Nassau, ein Zusammenschluss selbstständiger Verbände und Gruppen mit überregionalen Aufgaben. Sie erweiterte ihre Ziele und beschloss, das politische Bewusstsein von evangelischen Frauen zu fördern. 1950 wurde in der EKHN auf Betreiben des Stadtverbands der Evangelischen Frauenhilfe in Frankfurt die erste Pfarrstelle für eine Theologin errichtet und mit Katharina Staritz besetzt. Drei Jahre später schlossen sich der hessische und der nassauische Verband zum Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe in Hessen und Nassau e.V. zusammen.
Der lange Weg zu einer gerechten Gemeinschaft von Frauen und Männern: Gegenwart (1968 bis 2005)
Mit den sich wandelnden gesellschaftlichen Verhältnissen veränderten sich auch die Aufgaben der Evangelischen Frauenarbeit: weg vom Schwerpunkt Diakonie, hin zum Fokus Bildung. Die in den 50er Jahren begonnene Arbeit der evangelischen Familien-Bildungsstätten, die ursprünglich Frauen in der Hausarbeit und der Kindererziehung unterstützen sollten, begann zunehmend die ganze Familie in den Blick nehmen. Darüber hinaus blieb die Evangelische Frauenhilfe weiterhin in der Gemeindearbeit vor Ort aktiv – mit gemeinsamen Frauenhilfenachmittagen und Ausflugsfahrten, Bibelarbeiten und Gottesdiensten, Kirchenkaffees und Adventsbasaren.
Auch organisatorisch setzte ein Strukturwandel ein: 2005 schlossen sich die Evangelische Frauenhilfe in Hessen und Nassau e.V. und die Evangelische Frauenarbeit in Hessen und Nassau nach langjährigen Verhandlungen zum Verband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V. zusammen. Er vertritt bis heute als Dach- und Fachverband evangelische Frauenhilfegruppen, Frauenvereine und Frauenverbände in der EKHN.
Im Mai 2007 schlossen die EKHN und der Verband einen Kooperationsvertrag. Darin beauftragt die Kirchenleitung den Verband, die Arbeit mit Frauen und Familien in der EKHN zu gestalten.
Das könnte dich auch interessieren
Kirchenfenster bereichern Spiritualität als „Musik für die Augen“
Glaskunst begeistert auch junge Menschen, wie die Auszubildenden der Glaskunstfirmen zeigen. Kirchenfenster können die Besichtigung einer Kirche in ein spirituelles Erlebnis verwandeln. Außerdem spiegeln sie die Entwicklungen der über 800-jährigen Geschichte der kirchlichen Glaskunst wider.
9. November: Gedenken an Tote und Leidtragende der Pogrome
Am 9. November gedenken wir der Novemberpogrome und damit dem unfassbaren Leiden jüdischer Menschen während des Nationalsozialismus. Ein Jahr nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel sind die Erinnerungen an das Pogrom vom 7. Oktober noch präsent. Deshalb ist es wichtig, sich gegen alle Formen des Judenhasses zu stellen.