Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

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  • Weihnachten

Weihnachten ist Geburtstag

veröffentlicht 16.12.2012

von Sylvia Meise

Das größte Glück in einem Satz? „Das ist ja wie Weihnachten und Geburtstag zusammen!“ – Nicht umsonst verbindet dieser Spruch unter allen möglichen Feiern von der Taufe über die Volljährigkeit bis zur Hochzeit gerade diese beiden.

Warum wir Weihnachten feiern

Die Kirchen feiern an Weihnachten die Menschwerdung Gottes. Nach christlicher Lehre und Glauben wird Gott in dem Kind Jesus von Nazareth Mensch. Und so ist Weihnachten auch ein Kinderfest. Es ist das Fest der Geburt von Jesus Christus, den die Christen als ihren Erlöser verehren. Advent und Weihnachten wurden als christliche Jahresfeste erst im vierten Jahrhundert eingeführt. Etwa 300 Jahre, nachdem er gelebt hatte, begannen die Christen damit, Jesu Geburt zu feiern. Darauf deuten frühe Textfunde auf Papyrus hin. Eine Art Liedblatt aus dieser Zeit weist auf eine Gottesdienstfeier zur Erinnerung an die Geburt Jesu hin.

Heute gehören die Gottesdienste an Heiligabend und an den Weihnachtfeiertagen zu den am besten besuchten kirchlichen Feiern im Jahr. Im Mittelpunkt steht dabei die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium. In fast allen Kirchen steht ein großer Tannenbaum mit seinen Lichtern und grünen Zweigen für die Hoffnung auf die Bewahrung des Lebens trotz der Dunkelheit und Kälte des Winters. Eine Krippe mit den Figuren der Weihnachtsgeschichte soll die in der Bibel geschilderten Ereignisse vor rund 2000 Jahren vor allem den Kindern anschaulich vor Augen führen. Das festliche Essen, die Geschenke und das gemeinsame Feiern sind ein Symbol für die Zusammengehörigkeit der gesamten Christenheit, die weltweit gemeinsam an den Beginn ihrer Religion erinnert. Ein Teil der orthodoxen Christenheit – vor allem die Russen und Serben – feiert aufgrund verschiedener Kalenderberechnungen meist eine Woche nach Neujahr Weihnachten.

Von Stephane Cezanne

 

Geburtstag: Höchste Gefühle

Kinder lieben daran vor allem, dass es Geschenke gibt. Doch auch das seelische und leibliche Wohl gehört dazu: Man kommt zusammen, isst, singt, versichert sich der gegenseitigen Zuneigung, alle Streitigkeiten sind ausgesetzt. ... Wer davon ausgeschlossen ist, dem wird gerade an diesen Tagen das Herz schwer. Ist uns Weihnachten (und Geburtstag) eigentlich schon immer so nahegegangen? Es fühlt sich so an. Wer jedoch auf dem Zeitstrahl zurückwandert, stößt unverhofft auf einen berühmten Begründer für beide Traditionen: Martin Luther. Die heutige Ausprägung von Geburts- und Christfest hätte er sich aber wohl nicht träumen lassen. Wie feierte man Weihnachten zu seiner Zeit und wie feierten seine späteren Nachfahren?

Warum feiern wir Geburtstag?

Geburtstagsverächter und Kinder muss man nicht lange fragen. Historiker dagegen würden antworten: weil wir einen Kalender haben und einen Verwaltungsstaat, der die Geburts- und Sterbedaten dokumentiert. Denn das ist die erste Bedingung. Als die Menschen vor 500 Jahren begannen, ihren Geburtstag zu feiern, galt das noch nicht für jeden Europäer und bis heute gibt es Gegenden auf der Welt, in denen Geburtsdaten nicht erfasst werden.

An Geburtstagfeiern erkennt man in aller Welt den Wert des Einzelnen. Gehört sein Leben der Gemeinschaft oder ist er auch für sich allein so wertvoll, dass man ihn feiert? Für Martin Luther und die Protestanten der Reformationszeit war das irdische Leben ein Geschenk. Außerdem sollte es – fanden sie – zwischen Gott und den Menschen keine vermittelnde Instanz, keine Heiligen und Priester geben. Deshalb wollten sie künftig nicht mehr Namens-, sondern Geburtstage feiern. Für ihre römisch-katholischen Gegenspieler war das ein Affront. Fand doch nach ihrer Sicht die eigentliche Geburt erst am Tag des Todes, beim Eintritt in das ewige Leben statt. Den Namenstag zu feiern dokumentiert aber nicht nur einen geringeren Stellenwert des Individuums, sondern auch ein komplett anderes Zeitverständnis: Der Namenstag reiht den Namensträger ein in einen festen kirchlichen Ablauf. Der Mensch zählte nicht seine Lebensjahre, sondern gedachte des Schutzheiligen, dessen Todestag sich an seinem Namenstag jährte. Grundlage des Geburtstags ist dagegen ein Verständnis von Zeit, als einer physikalischen Größe, die linear fortschreitet. In der Periode unmittelbar nach der Reformation hätte man die Frage „Warum feierst du?“ einfach mit „Weil ich evangelisch bin“ beantwortet. Mit einer Ausnahme: den Schlesiern: Obwohl sie überwiegend katholisch waren, feierten Sie Geburtstag, um sich von den polnischen, ebenfalls katholischen Nachbarn abzugrenzen.

Der Geburtstag war von Anfang an ein weltliches Fest. Kulturforscher bezeichnen ihn als Zeichen modernen Lebens. Gefeiert wurde überall, wo die Individualisierung ihren Lauf nahm: in Städten, selbst in katholisch geprägten, und in Industriegebieten. Erst sehr spät auch in bäuerlichen Gemeinschaften. Sitten und Gebräuche rund um den Geburtstag ranken sich um die Grundbedürfnisse jedes Menschen nach Schutz, Zuwendung und Nahrung. In früheren Zeiten scharte sich die Verwandtschaft, um dem stets vom Tode bedrohten Neugeborenen Schutz und Unterstützung zu versprechen. Indem man an jedem neuen Geburtstag seine Lieben um sich sammelt, lässt man sie ganz unbewusst dieses Versprechen jährlich erneuern. In den Worten des 21. Jahrhunderts: Man pflegt sein soziales Netz.

Den Alltag ein wenig aufzupeppen ist natürlich ein weiterer Grund zum Feiern. Doch dabei geht es offenbar nicht allein um Spaß und eine Portion Abwechslung. Der Kulturwissenschaftler Christian Marchetti beschreibt in seinem Buch „Dreißig werden“, wie Feiern hilft, den Alltag zu bewältigen und ihm frischen Sinn zu verleihen. So stärkt der Festtag die Feiernden in ihrer Einzigartigkeit, dient aber gleichzeitig der Einbettung in den gesellschaftlichen Wertehorizont.

Warum gibt es Geschenke zum Geburtstag?

Überall auf der Welt begehen die Menschen besondere Ereignisse mit Festen und Ritualen. Ihren Geburtstag zu feiern, gehört für die Menschen fast aller Kulturen heute wie selbstverständlich dazu. Es ist Tradition, Gäste zu bewirten, die dem Geburtstagskind Geschenke überreichen. Dies war in der Vergangenheit keineswegs üblich. So wurden im antiken Griechenland und im alten Rom nur die Geburtstage der Götter und bedeutender Persönlichkeiten gefeiert. Die Menschen brachten Opfergaben dar in Form von Wein, Kuchen oder Weihrauch. Der heutige Brauch, zum Geburtstag etwas zu schenken, hat hier vermutlich seinen Ursprung. Im Laufe der Zeit führten Griechen und Römer ein Fest ein zu Ehren der sogenannten Lebensbegleiter. Im Rom der klassischen Antike richteten die Männer ihre Feier, die einmal jeden Monat stattfand, an den Gott Genius und die Frauen ihre an die Göttin Juno.

Die Geburtstagsfeier im heutigen Sinn entwickelte sich mit dem Beginn der Reformation im 16. Jahrhundert. Bis zu diesem Zeitpunkt verurteilte es die katholische Kirche als „Sünde“, den Geburtstag zu feiern und sich selbst wichtiger zu nehmen als die Heiligen. Stattdessen hatte der Namenstag eine große Bedeutung. Um sich davon abzugrenzen, feierten die Protestanten ihren Geburtstag, denn sie lehnten die Heiligen als Vermittler zwischen Gott und den Menschen ab. Zunächst luden nur besonders wohlhabende Adelige zu aufwendigen Festen ein, im 17. Jahrhundert breitete sich der Brauch, Geburtstage zu feiern, im städtischen Bürgertum aus. Auf dem Land konnten die Bauern damit zunächst wenig anfangen, da viele gar nicht wussten, an welchem Tag sie zur Welt gekommen waren.

Erst seit dem 20. Jahrhundert richten die meisten Menschen unabhängig von ihrer Religion am Tag ihrer Geburt ein Fest aus. Im Zuge der Globalisierung hat sich dieser Brauch mittlerweile auf der ganzen Welt verbreitet. Das Geschenk an diesem Tag erinnert an das Geschenk des Lebens und die Schenkenden bemühen sich, den Geschmack der beschenkten Person möglichst genau zu treffen und ihr oder ihm eine besondere Freude zu machen. Doch auch über diesen spezifischen Anlass hinaus haben Geschenke eine besondere Funktion im Zusammenleben der Menschen. Sie festigen die Beziehungen zwischen Familienmitgliedern, Freunden, aber auch Geschäftspartnern und Nachbarn. Oft wird nicht nur Dankbarkeit, sondern auch ein angemessenes Gegengeschenk erwartet. In traditionellen Gesellschaften gilt die ritualisierte Form von Gabe und Gegengabe nicht nur als höflich, sondern wird teilweise immer noch als notwendig betrachtet, um das Schicksal günstig zu stimmen.

Übrigens hat das Wort „schenken“ seinen Ursprung im Mittelhochdeutschen: In einer Schenke (einer Gaststätte) wird den Gästen etwas aus einem Gefäß eingeschenkt.

Von Laura Völsing und Antje Kroll

Nur für Protestanten – der Geburtstag vor 500 Jahren

Geburtstagsständchen, Geschenke, ein Gläschen Sekt. ... Was heute so selbstverständlich scheint – war den Menschen vor 500 Jahren völlig fremd. Gerade erst hatten die Protestanten den Geburtstag eingeführt. Den Tag der Geburt zu feiern war ebenso neu wie die Bescherung zu Heiligabend. Bis dahin war es üblich, den Tauf- oder Namenstag zu begehen, der üblicherweise auf den Tag nach der Geburt fiel. Manche wussten nicht einmal, wann genau das war. Nach der Reformation und der damit einhergehenden Spaltung der Kirche wurden die beiden Festtage zu Symbolen, an denen sich ihre Anhänger erkannten und von denen sich ihre Gegner distanzierten. Allerdings konnten sich überhaupt nur die höher gestellten Bürger, Adligen oder Geistlichen solche Feiern leisten. Nur sie verfügten über ausreichend Geld und Zeit. Spiel, Tanz und aufwendige Festessen waren üblich, von denen auch die Armen und die Bediensteten etwas abbekamen. Der Geburtstag war ein weltliches Erwachsenenfest und diente durchaus der Darstellung von Status, Macht und Reichtum.

Zeigen, was man hat – das Wiegenfest vor 100 Jahren

Der Zeitsprung ins 19. und 20. Jahrhundert zeigt ein moderneres Bild. Mittlerweile genießen die Kinder einen weitaus höheren gesellschaftlichen Stellenwert. Ursache dafür sind die Ideen der Romantiker, denen Gefühle mehr galten als das Rationale und die großes Interesse an der kindlichen Emotionalität entwickelten. Vor diesem Hintergrund wirkte der Schrecken der hohen Kindersterblichkeit besonders stark. Deshalb behandelten die Erwachsenen immer weniger wie kleine Bedienstete oder kleine Erwachsene, sondern zunehmend wie eigenständige Personen. Im gehobenen Bürgertum gab es nun auch Kindergeburtstage mit Kuchen, Geschenken und Kerzen. Die Menschen in katholischen Städten und Industriegebieten feierten mittlerweile sogar beides, Namenstag und Geburtstag. Auch die weniger Betuchten und die Arbeiter bedachten Geburtstagskinder zunehmend mit Glückwünschen, Kerzen und Kuchen.

Kinder reicher Familien hatten in manchen Gegenden kleine Bücher, in denen sie die Geburtstage ihrer Verwandten und Freunde eintrugen. Und es gab sogar – wie zu Weihnachten – Spielzeug auf dem Gabentisch. Ein Puppenwagen oder Blechauto vielleicht. Dennoch war das Fest für die Kleinen, die auch zu dieser Zeit ihre Eltern noch siezten, wohl eher eine steife Veranstaltung. Friedemann Schmoll, Ethnologe und Mitautor des Buchs „Warum feiern wir Geburtstag?“ beschreibt den Ablauf als erzieherische Maßnahme und Rollenübung für das spätere Erwachsenenleben: „Sie hatten Einladungskarten zu schreiben und Konversation bei Tisch zu führen.“ Von Spiel und Spaß ist zu der Zeit weit und breit keine Spur. Frei nach Loriot gilt für das Weihnachts- wie für das Geburtstagfest dieser Zeit: je reicher die Familie, desto mehr Lametta. Zuallerletzt nahmen Bauernfamilien den Geburtstag auf. Nicht nur aus Zeitgründen, sondern auch weil der Bauernhof eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft war, in der dem Einzelnen keine so große Bedeutung zukam.

© gobasil

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