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Kirchenfenster bereichern Spiritualität als „Musik für die Augen“
veröffentlicht 07.10.2024
von Online-Redaktion der EKHN / MZ
Glaskunst begeistert auch junge Menschen, wie die Auszubildenden der Glaskunstfirmen zeigen. Kirchenfenster können die Besichtigung einer Kirche in ein spirituelles Erlebnis verwandeln. Außerdem spiegeln sie die Entwicklungen der über 800-jährigen Geschichte der kirchlichen Glaskunst wider.
„Mit Glas gibt es so viele Farben, es ist schön, damit zu arbeiten,“ berichtet Lena Sophie Rückeshäuser gegenüber dem epd. Sie absolviert aktuell eine Lehre bei der Glaskunstfirma Derix-Glasstudios im hessischen Taunusstein. Hier wird Glaskunst für Kirchenfenster, Universitäten oder Krankenhäuser gefertigt – auch für einige Kirchen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), beispielsweise für die Rosette der Evangelischen Immanuelkirche in Königstein im Taunus.
epd-Video: Eine Auszubildende begeistert sich für Glaskunst
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Für Glaskunst in Kirchen begeistert sich auch Pfarrer Dr. Markus Zink, Referent für Kunst und Kirche im Zentrum Verkündigung der EKHN: „Künstlerisch gestaltete Fenster schaffen Atmosphäre. Das heißt: Sie beeinflussen die Stimmung, die im Raum entsteht. Denn Farben können den Raum `verzaubern´, ihn festlicher erscheinen lassen, ruhiger oder innerlicher.“ Für den evangelischen Kunstreferenten ist „die Glaskunst sozusagen Musik für die Augen.“
Meditative Bildbetrachtung als Einladung zu spiritueller Praxis
Markus Zink schlägt Kirchenbesucherinnen und Besucher vor, Kirchenfenster bewusst zu betrachten. Einige Motive regen zu einer meditativen Bildbetrachtung ein: „Die Erfahrung, zu der Fenster einladen, kann gut in die Stille führen, vom Hinschauen ins innere Hinhören. Das ist eine wesentliche Grundlage für ein kraftvolles Gebet.“
Verschiedene Herangehensweisen eignen sich je nach Gestaltung der Fenster:
- Figurative Kunst: Fenster, die beispielsweise Szenen aus biblischen Geschichten darstellen, wirken erzählerisch. Betrachtende können Zeit für detaillierte Entdeckungen nehmen:
Wie wirkt das Bild auf mich?
In welcher Haltung stehen die Figuren zueinander?
Wird Gott durch ein Symbol dargestellt?
Welche Elemente lassen sich im Hintergrund finden? - Abstrakte Kunst: Hier lässt sich eine Art „Farbdusche“ erleben, die Augen darin wandern lassen und erfahren, wie sich der Raum selbst aufzulösen beginnt.
Karten zu den Fenstern in der Kirche auslegen
Auch Kirchengemeinden oder Nachbarschaftsräume können dazu beitragen, dass die Kirchenfenster mehr Aufmerksamkeit erfahren. Kunst- und Kirche-Referent Zink schlägt vor, dass evangelische Kirchen auch wochentags öffnen und Gäste der Offenen Kirche dabei zu unterstützen, den Zugang zu den Motiven zu erschließen:
Karten zu den jeweiligen Fenstern können ausgelegt werden. „Weniger ist mehr. Ein paar Zeilen reichen und lassen Raum für eigene Gedanken und Gefühle“, so Zink. Empfohlene Elemente für die Karten:
- ein kurzer Text, der die Betrachtung anstößt,
- zwei bis drei vertiefende Fragen,
- ein Gebet, ein Bibelvers oder ein Segen zum Abschluss.
Besonderheit evangelischer Kirchenfenster
Markus Zink erklärt: „Im evangelischen Dorfkirchen wurde oft klares, mundgeblasenes Glas eingesetzt und auf künstlerische Gläser verzichtet.“ Dies lag nicht nur an protestantischer Nüchternheit, sondern vor allem daran, dass viele evangelische Kirchen im Barock gebaut wurden, einer Zeit, in der Glaskunst auf dem Rückzug war.
Seit dem 19. Jahrhundert hielt farbige Glaskunst auch in protestantische Kirchen Einzug und lässt sich bis heute bewundern.
Die Menschen hinter der Kunst
Die Namen vieler bedeutender Glaskünstler aus vergangenen Epochen sind kaum überliefert. Im 20. Jahrhundert schufen auch Maler wie Marc Chagall oder Bildhauer wie Alberto Giacometti herausragende Glaskunst für Kirchen. Daneben haben sich ausgezeichnete Künstler mit einer Spezialisierung auf Glas etabliert. In der EKHN und weit darüber hinaus ist dabei zum Beispiel an Johannes Schreiter zu denken.
Markus Zink weiß: „Aber auch international renommierte Künstler brauchen eine gute Beratung durch die ausführende Fachwerkstatt. Denn die Beherrschung der nötigen Techniken ist keine Selbstverständlichkeit.“ Im 21. Jahrhundert gestaltete Sigmar Polke, der zum Glasmaler ausgebildet wurde, einige Fenster für das evangelisch-reformierte Grossmünster in Zürich. Polkes Werk ist außergewöhnlich durch die Verwendung von durchscheinenden Halbedelsteinen: „Ein einzigartiges Meisterwerk und wunderschönes Vermächtnis.“
Von der Gotik zur Moderne: Die Geschichte der Kirchenfenster
Quellen:
- Pfarrer Dr. Markus Zink, Referent für Kunst und Kirche im Zentrum Verkündigung der EKHN,
- Website der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin,
- Website der Frauenkirche in Dresden
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