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Schwarz: „Die Kirche muss auf der Seite der Betroffenen stehen“
veröffentlicht 25.04.2024
von Caroline Schröder
Im Januar 2024 wurde die ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in evangelischen Landeskirchen veröffentlicht. Ihr Ziel war es, systemische Risikofaktoren der evangelischen Kirche zu analysieren. Eine Erkenntnis daraus setzt die Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) nun um: Der Bedarf nach mehr Sensibilisierung ist groß.
Selten hat eine Kirchensynode einem einzigen Thema so viel Zeit gewidmet: Der erste Tag der Kirchensynode der EKHN steht ganz im Zeichen des Umgangs mit sexualisierter Gewalt. Begonnen beim Gottesdienst, in dessen Zentrum Texte von betroffenen Personen stehen, die sich mit Macht, Schuld und Vergebung und den Folgen des Erlebten auseinandersetzen. Ein Kurzfilm lässt Betroffene zu dem, was sie erlebt haben, zu Wort kommen.
Matthias Schwarz, Betroffenenvertreter im Beteiligungsforum der EKD und Mitarbeiter der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt der EKHN, leitet ein: „Was wir heute vor allem brauchen, ist Mut. Synodale brauchen Mut, um zuzuhören und sich auf die Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt einzulassen. Betroffene sind mutig, wenn sie ihr Schweigen brechen, diesen Tag mitgestalten und riskieren, dabei Tätern zu begegnen. Und wir als Kirche müssen auch in Zukunft Mut beweisen, um uns klar auf die Seite der Betroffenen zu stellen, sich kritisch mit Strukturen und der eigenen Kultur auseinanderzusetzen, und um personell und finanziell nicht zurückzuzucken.“
„Täter finden überall Möglichkeiten, um sexualisierte Gewalt auszuüben, leider auch in der Kirche. Wir müssen ihnen dies aber so schwer wie möglich machen. Eine unserer wichtigsten Aufgaben liegt darin, allen Haupt- und Ehrenamtlichen klar zu machen, was alles sexualisierte Gewalt ist – und eine Kultur des Hinsehens und Ansprechens zu etablieren“, sagt Birgit Pfeiffer, Präses der Kirchensynode.
Nach Worten des Leiters der EKHN-Kirchenverwaltung, Lars Esterhaus, ist auch bei der Gestaltung von rechtlichen Verfahren von entscheidender Bedeutung, den Betroffenen gut zuzuhören und Ihre Vorschläge umzusetzen. Esterhaus setze sich im EKD-Kontext dafür ein, das Disziplinarrecht stärker an den Belangen der Betroffenen auszurichten. „Anerkennungsleistungen müssen EKD-weit vereinheitlicht werden“, ergänze Esterhaus im Gespräch mit Journalist*innen.
Betroffene Personen arbeiten mit Mitgliedern der Synode zu Aspekten sexualisierter Gewalt
Wie geht vertrauensvolle Nähe in der Jugendarbeit, ohne Raum für sexualisierte Gewalt zu geben? Kann ich Kindern und ihren Erzählungen Glauben schenken? Wie breche ich mein Schweigen über erlebte Gewalt? Ist der Wunsch nach Vergebung den Betroffenen gegenüber fair? Wie gestaltet man Melde- und Disziplinarverfahren so, dass sie betroffene Personen nicht zusätzlich belasten? In acht Arbeitsgruppen, drei davon unter der Leitung von betroffenen Personen, beleuchten Synodale verschiedene Aspekte von sexualisierter Gewalt.
„Mein ganz besonderer Dank gilt den betroffenen Personen, die von dem Leid und dem Unrecht erzählen, das sie erfahren haben, die eine Sprache für das manchmal Unaussprechliche suchen und finden, die zur Synode gekommen sind, um zu helfen zu verstehen.“ sagt Volker Jung, Kirchenpräsident der EKHN. „Ich hoffe, dass die intensive Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt, alle in die Lage versetzt, aufmerksam zu sein, sprachfähig zu werden und Verantwortung zu übernehmen für den Schutz vor sexualisierter Gewalt. Dazu gehört auch der Mut hinzuschauen und anzusprechen, wo es erforderlich ist.“