© Anna-Luisa Hortien
ekhn2030: Methoden, um kirchliches Leben spirituell zu gestalten
veröffentlicht 08.10.2024
von Anna-Luisa Hortien
Der Impuls- und Begegnungstag „Spirituelle Kirche 2030“ vermittelte anschaulich spirituelle Methoden wie das Bibelteilen und das Herzensgebet. Zudem wurden zentrale Aspekte geistlichen Leitens deutlich.
Der Transformationsprozess der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) ist in vollem Gange. Neben den strukturellen Veränderungen braucht es dabei auch eine Weiterentwicklung der kirchlichen Arbeit. „Wie kann Gottes heilsame Gegenwart erfahren werden in unserer gemeinsamen Suche nach einer neuen Gestalt von Kirche?“ Mit diesem Gedanken begrüßte Thomas C. Müller vom Zentrum Verkündigung die Teilnehmenden am ersten Impuls- und Begegnungstag „Spirituelle Kirche 2030“ in Nieder-Weisel. Der Tag war eine Kooperationsveranstaltung zwischen dem Zentrum Verkündigung der EKHN und dem Geistlichen Zentrum der Johanniter Nieder-Weisel im Dekanat Wetterau.
Veränderungen und Reformen mit Spiritualität verbinden
Der Tag entstand aus der Rückmeldung vieler Engagierter, dass die geistliche Perspektive im Transformationsprozess derzeit zu wenig präsent sei. Rund 160 Haupt- und Ehrenamtliche aus der gesamten EKHN nutzten den Tag um sich geistlich zu stärken, sich auszutauschen und Anregungen und Impulse zu Spiritualität und Geistlicher Weggemeinschaft mitzunehmen. „Um die großen Veränderungen in Kirche und Gesellschaft in fruchtbarer Weise zu gestalten gilt es, sich immer wieder mit den Quellen unseres Glaubens zu verbinden und die Schätze der christlichen Spiritualität wiederzuentdecken“, sagte Johannes Misterek, Pfarrer am Geistlichen Zentrum Nieder-Weisel.
Methode "Bibelteilen"
So begann der Tag nach der Morgenandacht auch gleich mit einer praktischen Übung: In kleinen Gruppen wurden die Teilnehmenden zum „Bibelteilen“ angeleitet. Das Bibelteilen in 7 Schritten ist eine einfache Methode über einen Bibeltext ins Gespräch zu kommen. Es geht vor allem um den persönlichen Zugang und die Resonanz, die der Text bei jedem Einzelnen auslöst. Das gegenseitige Zuhören ohne Wertung und Kommentare ist dabei besonders wertvoll.
Erzählräume schaffen
Die Theologin und Autorin aus Essen Christina Brudereck machte in ihrem Impulsvortrag darauf aufmerksam, dass es mehr „Erzählräume“ brauche, in denen Menschen ihre Geschichten teilen können und sich gegenseitig zuhören: „Spiritualität tut Gemeinschaft gut. Gemeinschaft tut Spiritualität gut.“ Dabei sei es wichtig, auch mir fremde Stimmen und Perspektiven zu hören, immer wieder Unterschiede und Ähnlichkeiten zu entdecken. Denn Diversität tue Gemeinschaft gut. Dazu könnten auch geeignete Formate in Gemeinden geschaffen werden – Kirche als Anlaufstelle, Kraftort und Raum zum Gespräch.
Aspekte des geistlichen Leitens
Wie sie es mit ihrer persönlichen Spiritualität halten erzählten nach dem Mittagessen vier Podiumsgäste unter Moderation von Journalistin Sabine Langenbach. Zum Podiumsgespräch unter dem Titel „Geistlich leiten, geistlich leben, geistlich üben“ waren Pröpstin Dr. Anke Spory, Dekan Volkhard Guth, Pfarrerin Lydia Katzenberger und Kirchenvorsteher Christoph Diemerling eingeladen.
Kern des geistlichen Leitens, so der Bad Vilbeler Kirchenvorsteher Diemerling, sei es, sich auch in oder nach mitunter hitzigen Kirchenvorstandssitzungen immer wieder des „Warums“ bewusst zu werden. „Wir haben bei allen Meinungsverschiedenheiten doch eine gemeinsame Vision, uns eint ein Glaube.“ Die oberhessische Pröpstin Dr. Anke Spory ergänzte: „Geistliche Leitung zeichnet für mich aus, sich immer wieder rückzubinden an die Botschaft der Bibel.“ Für Lydia Katzenberger, die zuletzt ein Jahr lang mit den Oberzeller Franziskanerinnen unterwegs war, kann nur geistlich leiten, wer auch eine eigene geistliche Praxis pflegt. Und Volkhard Guth, Dekan des Evangelischen Dekanats Wetterau, das gemeinsam mit den Johannitern Träger des Geistlichen Zentrums in Nieder-Weisel ist, ergänzte: „Ein hörendes Herz ist Grundvoraussetzung für geistliches Leiten.“
Methoden: Herzensgebet, Meditation und spirituelles Schreiben
Im Meditationsraum konnten Teilnehmende mit Pfarrerin Ursula Wendt die Methode des Herzensgebets ausprobieren, bei dem die Verbindung von innerem Wort und Atem Raum für heilsame Verwandlung eröffnen kann. Bei Pfarrerin Heinke Willms meditierten die Teilnehmenden mit allen Sinnen. Schreiben als Selbstausdruck und geistliche Praxis konnten die Teilnehmenden im Workshop bei Pröpstin Dr. Anke Spory ausprobieren. „Pilgern ist Beten mit dem ganzen Körper“: Das konnten Teilnehmende beim Pilger-Workshop mit Pfarrerin Cornelia Hankel und Pfarrer Siegfried Nickel erfahren.
Oasen- oder Einkehrtage sowie Exerzitien im Alltag
Pfarrer Jürgen Schweitzer stellte das Format der Oasen- bzw. Einkehrtage als kleine Auszeiten zur Besinnung und Neuausrichtung vor, Pfarrer Johannes Misterek und Pfarrer i.R. Matthias Gärtner die Exerzitien im Alltag als spirituellen Übungsweg über mehrere Wochen. Pfarrerin Tanja Brinkhaus-Bauer erläuterte alternative und kurze Gottesdienstformate für den Nachbarschaftrsraum, wie den „10-vor-7-GOTTKONTAKT“, der auch ohne hauptamtliche Unterstützung gefeiert werden kann.
Spiritualität im Klassenzimmer und in Gremien
Wie passt Spiritualität ins Klassenzimmer? Diese Frage erörterte Dr. Jochen Walldorf in seinem Workshop. Pfarrer Sven Rathmann berichtete, wie der Prozess des Zusammenwachsens im Nachbarschaftsraum Bad Vilbel durch spirituelle Begleitung unterstützt werden konnte. Pfarrer Thomas C. Müller vermittelte praxisnahe Impulse zur Gremienspiritualität. Der Workshop zeigte auf, wie der Heilige Geist in Diskussionen und Entscheidungsprozessen spürbar gemacht werden kann.
Neuer Termin 2025
Aufgrund der positiven Rückmeldungen ist eine Fortsetzung der Veranstaltung für 2025 ist bereits geplant: Am 2. Oktober 2025 erneut im Geistlichen Zentrum Nieder-Weisel.
Die Veranstaltenden
Anfangs- und Abschlussandachten in der Komturkirche, die selbst von vielen Besuchern als spiritueller Kraftort empfunden wird, gaben dem Tag den passenden Rahmen. Manuel Schienke, Referat Popularmusik im Zentrum Verkündigung der EKHN, begleitete den Tag musikalisch. Für die Vorbereitung und Durchführung waren Pfarrerin Heinke Willms, Haus der Stille Kloster Gnadenthal, Pfarrer Thomas C. Müller, Referent Geistliches Leben im Zentrum Verkündigung der EKHN, Johannes Misterek, Pfarrer am Geistlichen Zentrum der Johanniter Nieder-Weisel und Pfarrer Jürgen Schweitzer, Bildungsarbeit im Evangelischen Dekanat Rheingau-Taunus, verantwortlich.
Das könnte dich auch interessieren
Innere Ruhe finden - Auszeit im Kloster
Mehr zu sich selbst und zu Gott finden? Die Kraft der Stille lässt sich auch in evangelisch und ökumenisch geprägten Kommunitäten entdecken. Eine Auszeit im Kloster bietet die Möglichkeit, dem hektischen Alltag zu entfliehen und neue Perspektiven für persönliche Herausforderungen zu gewinnen. Hier werden einige Klöster vorgestellt.