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Kirchenpräsident: „Wir dürfen sexualisierte Gewalt nicht hinnehmen“
veröffentlicht 25.04.2024
von Caroline Schröder
In seinem Bericht auf der in Frankfurt am Main tagenden Synode spricht Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), über sexualisierte Gewalt in der Kirche, seine Einschätzung zu AfD-Mitgliedern in Kirchenämtern und die Rolle der Kirche in Kriegen in der Ukraine und in Nahost.
Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung bekräftigt auf der in Frankfurt am Main tagenden Kirchensynode am Donnerstag seine Position, dass auch in der evangelischen Kirche in Fragen von sexualisierter Gewalt und Prävention in der Vergangenheit nicht genügend getan wurde. „Eine Kirche, die alles, was sie tut, mit dem Anspruch tut, ‚im Namen des Herrn Jesus‘ zu handeln, darf nicht hinnehmen, wenn verantwortungslose Personen Kirche mit ihren Strukturen, Orten, Räumen und Ämtern nutzen, um Taten zu begehen, die ihre Menschen an Leib und Seele verletzen“, sagt Kirchenpräsident Volker Jung in seinem traditionellen Bericht zur Lage in Kirche und Gesellschaft.
Ende Januar hatten Forschende die Ergebnisse der ForuM-Studie vorgestellt, die systemisch bedingte Risikofaktoren der evangelischen Kirche analysierte. Hierzu erklärt Jung: „Zu manchen der von der Studie beschriebenen Risiken haben wir bereits Gegenmaßnahmen ergriffen. Diese Arbeit wird aber niemals abgeschlossen sein: Wir brauchen die Grundhaltung, sexualisierte Gewalt und andere Gewaltformen nicht als ein Problem der Vergangenheit zu sehen, sondern als eine permanent bestehende Gefährdung. Dazu gehört, bestehende Schutzkonzepte umzusetzen und sie immer wieder neu zu bearbeiten und zu verbessern.“
Engagement gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus muss fortgesetzt werden
Nach Worten von Jung will die EKHN auch ihr Engagement gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus fortsetzen. Angesichts eines „von vielen nicht für möglich gehaltenes Erstarken rechtspopulistischer Kräfte, insbesondere der ‚Alternative für Deutschland‘ (AfD)“ sei ein entschiedener Einsatz „für unsere Demokratie und gegen jede Form von Diskriminierung“ erforderlich. Ausdrücklich dankte er für das bisherige große Engagement in Kirchengemeinden und der Diakonie.
Jung fährt fort: „Ich selbst habe mehrfach die AfD im Ganzen als rechtsextrem bezeichnet. Da folge ich der Einschätzung einer Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte, die zeigt, dass auch in den programmatischen Formulierungen der AfD die national-völkische Grundeinstellung erkennbar ist. Ich hoffe sehr, dass dies in den laufenden Verfahren bestätigt wird. Die Frage eines Parteiverbotes wird dann perspektivisch neu gestellt werden müssen. Meines Erachtens ist allerdings – vorbehaltlich dieser anstehenden Klärung – ein Grundsatzbeschluss zum Ausschluss von Mitgliedern der AfD aus kirchlichen Ämtern zurzeit nicht sinnvoll. Sehr wohl ist aber die Prüfung jedes Einzelfalles erforderlich, und zwar mit dem Ziel, die inhaltliche Unvereinbarkeit festzustellen und dann daraufhin auch Konsequenzen zu ziehen. Völlig klar ist allerdings, dass die Unvereinbarkeit festgestellt werden muss, wenn Menschen mit rechtsextremen Parolen offen rassistisch und antisemitisch agieren.“
Ukraine: Die Orientierung am Leitbild des „Gerechten Friedens“ ist unaufgebbar
In Fragen des Angriffskrieges Russland gegen die Ukraine hebt Jung das Engagement der Kirchen für geflüchtete Menschen hervor. Jung berichtet, dass die EKHN und die Diakonie Hessen nach wie vor bei der Unterstützung von Flüchtlingen engagiert seien – von der Seelsorge am Flughafen bis hin zu konkreten Hilfen in Gemeinden und der regionalen Diakonie. Hier zeige sich, welchen Beitrag die EKHN als Kirche leisten könne: Es gehe um die konsequente und unaufgebbare Orientierung am gerechten Frieden. Das sei die Absage an jeden Versuch, Waffeneinsatz als Mittel der Konfliktlösung aufzuwerten. Zivile Konfliktlösung müsse immer den Vorrang haben. Das bedeute nach wie vor, die Rüstungsexportkontrolle aufrechtzuerhalten. Neue Debatten um atomare Massenvernichtungswaffen dürften nicht primär militärstrategisch geführt, sondern sie müssten politisch und friedensethisch geführt werden.
Jung führt aus: „Im Blick auf die Ukraine geht es nach wie vor darum, in internationaler Gemeinschaft die Ukraine in ihrem Selbstverteidigungsrecht zu stärken und sich zugleich diplomatisch darum zu mühen, dass Russland den Angriffskrieg beendet. Waffenlieferungen sind immer wieder neu hinsichtlich möglicher Folgen ethisch zu bewerten.“
Unbeeindruckt von aller Kritik habe die Russisch-Orthodoxe Kirche ihre Kriegsrhetorik verstärkt und von einem „Heiligen Krieg“ gesprochen. Das sei erneut eine Blasphemie, die vom Ökumenischen Rat der Kirchen auch als solche benannt werden sollte, so Jung.
Ja zum Existenzrecht Israels – und Achtung der Menschenrechte von Israelis und Palästinensern
Nach Ansicht von Kirchenpräsident Jung wirken die politischen Möglichkeiten der Kirche angesichts der Gewalt und des Krieges in Israel und Palästina bescheiden. Gleichwohl sei es gut, sich bewusst zu machen, was die EKHN hier dennoch beispielsweise vor Ort gegen den wachsenden Antisemitismus tun könne.
Jung: „Angesichts des äußerst brutalen Terrorakts der Hamas gegen Israel am 7. Oktober letzten Jahres hat diese Synode eine Resolution verabschiedet, die den Überfall der Hamas aufs Schärfste ohne jedes einschränkende ‚Ja, aber‘ verurteilt hat. Antisemitismus ist wie jede Form von Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein Angriff auf die Würde von Menschen. Und ich füge hinzu: Antisemitismus ist deshalb aus Sicht des Glaubens Sünde. Es ist nach wie vor nötig, jeder Form von Antisemitismus entschieden entgegenzutreten.“
In politischer Perspektive gehöre dazu ein uneingeschränktes Ja zum Existenzrecht des Staates Israel. Jedoch bewege ihn auch das Leiden und das Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung bewegt sehr. Insbesondere von den palästinensischen Christinnen und Christen erreichten die EKHN verzweifelte Hilferufe und Rufe nach Solidarität. Dazu Jung: „Dieser Konflikt hat eine Komplexität, die wir nicht auflösen können, sondern aushalten müssen. Wir tun dies in einer doppelten Solidarität.“ Das bedeute, ohne einseitige Schuldzuweisungen offen zu sein für die Geschichten beider Seiten.