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Kämpferin gegen die Benachteiligung von Frauen
veröffentlicht 31.10.2023
von Online-Redaktion der EKHN
Verena Bentele tritt mutig dafür ein, dass sich die Situation vieler Frauen verbessert. Deshalb wurde die Präsidentin des Sozialverbands VdK mit dem Katharina-Zell-Preis 2023 ausgezeichnet.
Der Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau hat am Mittwoch Verena Bentele, Präsidentin des deutschen Sozialverbands VdK, mit dem Katharina-Zell-Preis 2023 ausgezeichnet. „Sie ist Gesicht und Stimme des VdK und sie spricht für viele Frauen, die von Benachteiligung, Ungleichbehandlung und Kürzungen betroffen sind. Es gibt kaum eine sozialpolitische Entscheidung oder Äußerung, zu der sich Verena Bentele nicht umgehend zu Wort meldet“, sagte Anja Schwier-Weinrich, geschäftsführende Pfarrerin im Landesverband, vor rund 100 Gästen bei der Preisverleihung in der Darmstädter Stiftskirche. „Verena Bentele tritt mutig, klar, unerschrocken und oft mit langem Atem für Verbesserungen ein. Für diesen überzeugenden Einsatz erhält sie den Katharina-Zell-Preis“, so Anja Schwier-Weinrich.
Für Überzeugungen kämpfen
Verena Bentele sagte in ihrer Dankesrede, sie verstehe die Preisverleihung als Auftrag, nicht zu schweigen, sondern zu reden, so wie die Reformatorinnen, die Anfang des 16. Jahrhunderts für ihre Überzeugung kämpften. „Ich habe mich mit Katharina Zell beschäftigt und gelernt, dass es wichtig ist, gut zu kommunizieren, sodass die Menschen sich mitgenommen fühlen. Ich habe viele Gedanken und Spaß daran, sie zu formulieren. Wir brauchen immer mutige Frauen, die die Hand heben und auch solche, die im Hintergrund arbeiten“, sagte die Preisträgerin. Ebenso wichtig sei es, so wie sie als ehemalige Biathletin, Begleitläuferinnen zu haben. „Wir sind alle nur so gut wie die Menschen um uns herum und das Team, in dem wir arbeiten“, so die VdK-Präsidentin, die betonte, es sei gut, auch selbst Begleitläuferin für andere zu sein.
Zuversicht, Ausdauer und Vertrauen
In ihrer Laudatio betonte Professorin Dr. h.c. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), dass Verena Bentele die gleichen Stärken wie die Namensgeberin des Preises habe: „So wie Katharina Zell verkörpert Verena Bentele Zuversicht, Ausdauer und Vertrauen. Es ist großartig, eine Laudatio auf eine so wunderbare Frau mit einer derart charmanten Klarheit halten zu dürfen“, so die Soziologin. Sie nahm dabei auch Bezug auf die Beeinträchtigung der ehemaligen Spitzensportlerin und hob hervor, sie habe allergrößten Respekt für die Preisträgerin: „Es erfüllt mich mit absoluter Demut, dass sich eine blinde Frau die Aufgabe zutraut, gesellschaftlich etwas zu verändern und sich für benachteiligte Menschen in unserer Gesellschaft einzusetzen. Hätte ich das auch geschafft oder mich zurückgezogen und im Selbstmitleid versteckt?“ Jutta Allmendinger sagte, der Katharina-Zell-Preis würdige auch Verena Benteles Eltern, die ihrer Tochter Mut und Vertrauen schenkten.
Bei der Überreichung des Preises betonte Ursula Schmidt, Vorsitzende des Landesverbandes Evangelische Frauen in Hessen und Nassau: „Eine blinde Frau sieht mehr als Sehende, die heute das Sagen haben“.
Neue Herausforderung: Kampf gegen Armut
In der Podiumsdiskussion zur Preisverleihung wollte Anja Schwier-Weinrich, Geschäftsführerin des Landesverbandes, wissen, ob für Frauen in Sachen Gleichberechtigung schon viel erreicht worden sei und welche Herausforderung noch anstehen. Einerseits sei in Deutschland schon viel Positives passiert, „doch leider sind auch mehr Menschen von Armut betroffen.“ Vor allem bei der Altersarmut und bei Alleinerziehenden sei der Anteil von Frauen besonders hoch, so Verena Bentele. „Armut ist ein sehr beschämendes und weibliches Thema. Wir brauchen eine Revolution im Kopf.“ Verena Bentele hat die Erfahrung gemacht, dass es für ärmere Menschen eine riesige Hürde sei, zum Amt zu gehen oder an Veranstaltungen teilzunehmen. „Viele bleiben lieber zuhause.“
Der Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau kennt die Verhältnisse in den Kirchengemeinden gut und hat festgestellt, dass insbesondere Witwen im ländlichen Raum unter Armut leiden. „Bei Frauen ist die Armut oft versteckt. Sie möchten nicht, dass man das merkt, und auch keine Geschenke annehmen. Wenn wir aber sagen, wir haben etwas zu verteilen, das sie weitergeben können, dann nehmen sie es und tun so, als würden sie es an andere abgeben“, so Pfarrerin Anja Schwier-Weinrich.
Anteil von Frauen in Führungspositionen noch zu gering
Für WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger steht fest, dass trotz Fortschritten beim Anteil von Frauen in Aufsichtsräten und Führungspositionen und trotz Entgelttransparenzgesetz „wir bei der Gleichstellung in der Familie noch lange nicht da sind, wo wir sein sollten.“ Viele Frauen hätten ihr gesagt, sie fühlten sich im Arbeitsmarkt besser aufgehoben als in der Familie, wo sie sich in ihrer Rolle ständig verteidigen müssen, betonte Allmendinger.
Wie steht es um die Frauenrechte in anderen Ländern?
Bei der Frage, was Deutschland von anderen Ländern lernen könne, verwies Verena Bentele auf Beispiele in Skandinavien und Österreich. Bei der Kinderbetreuung sollte es für Väter und Mütter ein gemeinsames Arbeitszeit-Familienkonto geben. In Österreich müssten mittlerweile alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Doch darüber werde in Deutschland schon mehr als 40 Jahre diskutiert und nichts passiere. „Wir sind in Deutschland wenig mutig, in anderen Bahnen zu denken“, meinte Verena Bentele. Im öffentlichen Diskurs setzt sich Verena Bentele engagiert und intensiv dafür ein, dass Bürgerinnen und Bürger in allen Lebensumständen und in jedem Alter auf die Stärke der Gemeinschaft vertrauen können. In ihren Veröffentlichungen wie dem Podcast „In guter Gesellschaft“ greift sie aktuelle Entwicklungen auf und ordnet sie ein. Verständlich erläutert Verena Bentele auch komplexe Sachverhalte und Konsequenzen politischer Entscheidungen und setzt sich für Verbesserungen etwa bei der Inklusion, der häuslichen Pflege sowie der Altersvorsorge und Gleichberechtigung ein. Dabei schreckt sie auch vor unbequemen Fragen nicht zurück und vertritt konsequent ihre Haltung. In ihrem Buch „Wir denken neu“ (2021) blickt sie über die deutschen Grenzen hinaus, was unsere europäischen Nachbarn besser gelöst haben – in der Pflegeversicherung, in der Altersvorsorge, in der Krankenversicherung oder im Bildungssystem. Dabei geht die VdK-Präsidentin nie dogmatisch vor, sondern macht Gesprächsangebote, öffnet Diskursräume.
Der Katharina-Zell-Preis
Mit dem Katharina-Zell-Preis zeichnet der Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V. jedes Jahr eine Frau aus Kirche, Diakonie und Gesellschaft aus, die sich in besonderer Weise engagiert hat. Der Preis in Form eines silbernen Flugblattes ist benannt nach der Reformatorin Katharina Zell, die Zeit ihres Lebens für ihre Überzeugungen kämpfte. Sie schrieb theologische Streitschriften, setzte sich für Flüchtlinge ein und gründete eine Akademie für junge protestantische Theologen. Mehrfach wurde sie unter Schweigearrest gestellt, doch sie ließ sich den Mund nicht verbieten – mittels Flugblätter brachte sie ihre tiefe Überzeugung eines liebenden Gottes zu den Menschen. Zu den Preisträgerinnen der vergangenen Jahre zählen u.a. die Moderatorin und Schauspielerin Sonya Kraus für den unerschrockenen Umgang mit ihrer Brustkrebserkrankung sowie die Ärztin Kristina Hänel, die sich konsequent für die Abschaffung des §219a StGB eingesetzt hat.
Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V. (EFHN)
Der Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V. ist ein Mitglieder- und Dachverband für Frauen- und Familienarbeit auf dem Gebiet der hessen-nassauischen Kirche. Der Verband ist die Stimme evangelischer Frauen in Kirche und Gesellschaft. Er fördert und unterstützt die Arbeit von und mit Frauen in kirchlichen Bezügen und ermutigt Frauen, in der heutigen Welt als Christinnen zu leben. Mit frauenspezifischer Kompetenz und Sicht setzt der Verband theologische, spirituelle, sozialdiakonische und politische Impulse.
Zum Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V. gehören rund 190 Mitgliedsgruppen, 80 Kirchengemeinden, 14 Frauenverbände und 370 Einzelmitglieder.
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