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Rheinland-Pfalz: Landesregierung und Evangelische Kirchen tauschen sich über aktuelle Herausforderungen aus
veröffentlicht 28.11.2023
von Volker Rahn
Im Fokus des Gesprächs mit der rheinland-pfälzische Landesregierung standen die politische Herausforderungen, das gesellschaftliche Klima und die Situation der evangelischen Kirchen in dem Bundesland.
Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat sich mit den Leitungen der Evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz ausgetauscht. Im Fokus des Gesprächs stand neben den politischen Herausforderungen und dem gesellschaftlichen Klima auch die Situation der Evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz. Dabei wurde insbesondere die Gefährdung des sozialen Zusammenhalts diskutiert. Ministerpräsidentin Malu Dreyer erklärte dazu: „Die freie Ausübung des Glaubens bleibt oberstes Ziel der Landesregierung. Intoleranz gegenüber anderen Religionen bedrohen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die demokratische Grundordnung. Rheinland-Pfalz ist ein Land der gesellschaftlichen Vielfalt und des guten Zusammenlebens. Unser höchstes Gut ist die Würde des Einzelnen. Die Evangelischen Kirchen sind uns wichtige Partner, mit denen wir gemeinsam für eine vielfältige, offene Gesellschaft frei von Gewalt eintreten.“
Im Fokus des Gesprächs standen insbesondere der Austausch über aktuelle Fragen der Flüchtlingspolitik. Angesichts der Kriege in Europa und im Nahen Osten sowie deren Auswirkungen sehe man sich mit aktuell wachsenden Herausforderungen konfrontiert. „Humanitäre Grundwerte und eine gemeinsame Ordnungspolitik in Europa stehen weiterhin an erster Stelle“, betonte die Ministerpräsidentin. „Für uns ist klar: Wir stehen zu unserer Verantwortung für diejenigen, die vor Krieg, Leid und Not fliehen.“
„Das Engagement der Kirchen im Bereich der Integration ist unverzichtbar. Ob in der Migrationsberatung, in Begegnungsstätten oder Sprachkursen – die haupt- und ehrenamtlichen Kräfte unterstützen Migrantinnen und Migranten und tragen entscheidend dazu bei, dass die Menschen in unserer Gesellschaft Fuß fassen und heimisch werden“, ergänzte Integrationsministerin Katharina Binz. Mit dem Landesaktionsplan gegen Rassismus und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit unterstütze die Landesregierung diskriminierte Gruppen durch direkte Hilfsangebote und Empowerment-Maßnahmen. Öffentlichkeitsarbeit wie die Social-Media-Kampagne #SrollNichtWeg informiere darüber hinaus breit über Ausgrenzung und motiviert zum Engagement für eine Gesellschaft der Gleichwertigkeit, erklärte Ministerin Katharina Binz weiter. Die Erstellung und Umsetzung des Aktionsplans wird von Beginn an auch von den Kirchen begleitet.
Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Volker Jung (Darmstadt), erinnerte daran, dass es eine Herausforderung bleibe, Migrations- und Flüchtlingspolitik „humanitär und zukunftsorientiert zu gestalten“. Er widerspreche der sich politisch immer stärker verbreitenden Haltung, Flüchtlingspolitik „im Wesentlichen unter repressiven Gesichtspunkten zu betrachten“. Bereits jetzt sei dagegen absehbar, dass „statt einer zurückweisenden eine zukunftsweisende Migrationspolitik gefragt ist, die humanitäre Gesichtspunkte, wirtschaftliche Notwendigkeiten und soziale Teilhabe miteinander verbindet“. So könnten hierzulande lebende Geflüchtete beispielsweise leichter und unbürokratischer Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, um sie auch gesellschaftlich besser zu integrieren. Dies sei letztlich angesichts des zunehmenden Mangels an Arbeitskräften auch ein Beitrag zum langfristigen Schutz des Wohlstands in Deutschland.
Hass und Hetze nehmen in erschreckender Weise zu. Die freiheitlich-demokratische Gesellschaft sei heute mehr denn je gefordert, das friedliche Zusammenleben zu schützen. Rheinland-Pfalz sei ein tolerantes und weltoffenes Land, unterstrich Ministerpräsidentin Malu Dreyer.
„Ich spüre seit einiger Zeit, dass sich das gesellschaftliche Klima leider verändert. Der Ton - nicht nur gegenüber der Politik - wird rauer. Das macht mich sehr nachdenklich. Gerade in diesen Zeiten ist mir der Austausch mit den Vertreterinnen und Vertretern der Kirchen ein besonderes Anliegen. Wir müssen dieser Entwicklung gemeinsam entgegentreten“, so Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt. „Wir nehmen es oft als selbstverständlich hin, aber der gesellschaftliche Frieden und das friedliche Zusammenleben der Religionen sind auch für die Zukunft unseres Wirtschaftsstandortes von großer Bedeutung.“ Dies werde gerade angesichts der aktuellen Konflikte in vielen Regionen der Welt deutlich.
Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst (Speyer) betonte den Einsatz der Kirchen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den demokratischen Diskurs. Als ein Beispiel kirchlichen Handelns nannte sie dafür den schulischen Religionsunterricht. „Als Ort der Wertevermittlung und Meinungsbildung leistet er flächendeckend einen wichtigen Beitrag für das Miteinander in unserer Gesellschaft“, erklärte die Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz.
Im Rahmen des Gesprächs wurde auch die Notwendigkeit des Klimaschutzes hervorgehoben. Diesen dürfe man angesichts der globalen Krisen nicht aus den Augen verlieren. „Die Bewältigung der Klimakrise ist die größte Herausforderung der Gegenwart. Dabei kann der Klimaschutz nur gelingen, wenn auf allen Ebenen zusammengearbeitet wird. Das Engagement der Evangelischen Kirchen in diesem wichtigen Bereich ist zu schätzen“, sagte die Ministerpräsidentin.
Klimaschutzministerin Katrin Eder betonte: „Evangelische Kirchen und Landesregierung sind starke Partner im Klima- und Artenschutz. Ich danke der evangelischen Kirche für ihre ehrgeizigen Ziele und die sehr gute Kooperation bei gemeinsamen Projekten wie etwa der Aktion Grün, dem Zukunftsdialog zur Transformation des Gebäudesektors und bei der Bildungsarbeit für nachhaltige Entwicklung. In Zeiten, in denen unsere Gesellschaft vor großen Herausforderungen und Spannungen im Bereich Klima- und Artenschutz steht, sind es Kirchen, die integrierend wirken können. Der Schutz unserer Lebensgrundlagen ist ein elementares gemeinsames Ziel. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit, um das Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2040 sowie den Schutz und Erhalt der Artenvielfalt in Rheinland-Pfalz erreichen zu können."
Weiterer Schwerpunkt des Gesprächs war die aktuelle Situation der Evangelischen Kirche in Rheinland-Pfalz.
Der Vizepräsident der Evangelischen Kirche im Rheinland, Johann Weusmann (Düsseldorf), erläuterte die aktuelle finanzielle Situation der Evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz und erklärte: „Hohe Tarifabschlüsse und sinkende Einnahmen stellen die Kirche vor große finanzielle Herausforderungen und werden Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung nach sich ziehen.“
„Kirchen sind nach wie vor auch Orte der Gemeinschaft. Sie bieten Menschen die Möglichkeit, sich zu treffen, auszutauschen und gemeinsam ihren Glauben zu leben. Gerade in diesen Krisenzeiten ist der Dialog unverzichtbar. Viele Menschen sind verunsichert. Aber in Krisenzeiten gibt es keine einfachen Antworten. Es gilt, einander zuzuhören, zu verstehen, welche Ängste und Sorgen Menschen umtreiben. Dazu leisten Kirchen einen entscheidenden Beitrag. Es ist unser aller Verantwortung, dass alle in unserem Land frei und selbstbestimmt leben können. Dazu gehört auch die freie Ausübung ihrer Religion“, betonte Wissenschaftsminister Clemens Hoch.
Beide Seiten begrüßten den guten Austausch und betonten, in engem Austausch bleiben zu wollen. Auch künftig wolle man das direkte Gespräch suchen.
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