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„Gemeinsame Erklärung“ zu Standards und Kriterien der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt
veröffentlicht 13.12.2023
von Online-Redaktion der EKHN
Die EKD, die Diakonie und die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs haben sich auf verbindliche Kriterien und Strukturen für eine Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in verständigt.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die Diakonie Deutschland und die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) haben sich auf verbindliche Kriterien und Strukturen für eine umfassende und unabhängige Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie verständigt. Am Mittwoch unterzeichneten die jeweiligen Vertreter:innen in Berlin die „Gemeinsame Erklärung über eine unabhängige Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie nach verbindlichen Kriterien und Standards“.
Aufarbeitung in der EKHN
Unter dem Titel "Null Toleranz bei Gewalt" zeigt die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) bereits, wie sie sich gegen jede Form von physischer, psychischer und seelischer Gewalt wendet. Ein wichtiger Schritt war die Verabschiedung des Gewaltpräventions-Gesetzes von 2020. Es fasst viele Einzelmaßnahmen zusammen und definiert unter anderem klare Standards zu verpflichtenden Schutzkonzepten in kirchlichen Einrichtungen.
Zudem gehört die EKHN zum Verbund „Hessen“ der Aufarbeitungskommissionen. Sie wird eine gemeinsame Kommission mit der EKKW und der Diakonie Hessen bilden. Alle drei sind hier im Abstimmungsprozess. Die Geschäftsordnung sowie ein Aufrufstext zur Betroffenenpartizipation werden derzeit ebenso erarbeitet wie ein Anschreiben an die Landesregierung. In 15 Monaten soll dann die Kommissionen die Arbeit aufnehmen.
Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommissionen werden die Arbeit aufnehmen
Ziel der „Gemeinsamen Erklärung“ ist es nun, die unabhängige, umfassende und transparente Aufarbeitung sexualisierter Gewalt nach überregional vergleichbaren Standards in allen evangelischen Landeskirchen und den diakonischen Landesverbänden. Auf Grundlage der „Gemeinsamen Erklärung“ werden innerhalb der kommenden Monate „Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommissionen“ ihre Arbeit aufnehmen.
Standards sind Unabhängigkeit, Professionalität, Transparenz und die Partizipation von Betroffenen
Kerstin Claus, Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), betonte: „Die „Gemeinsame Erklärung“ legt den Grundstein dafür, dass zentrale Standards und Kriterien von Aufarbeitung wie Unabhängigkeit, Professionalität, Transparenz und die Partizipation von Betroffenen in allen Landeskirchen und diakonischen Landesverbänden eingeführt und verlässlich umgesetzt werden. Es ist höchste Zeit, dass Betroffene losgelöst von innerinstitutionellen Verfahren nach einheitlichen Standards Aufarbeitung einfordern können und an Aufarbeitungsprozessen grundlegend beteiligt werden. Ich begrüße sehr, dass mit dem Aufbau der „Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen“ es künftig auch in der evangelischen Kirche unabhängige Kommissionen geben wird, an die sich Betroffene wenden können, wenn es darum geht, erstmalig sexuelle Gewalt anzuzeigen oder einen unzureichenden Umgang mit bereits gemeldeten Fällen zu melden. Nach der langen Phase der Verhandlungen wird es jetzt darauf ankommen, dass die Landeskirchen und Landesverbände der Diakonie die `Gemeinsame Erklärung´ schnellstmöglich umfassend und verbindlich umsetzen und es zu keinen weiteren Verzögerungen kommt.“
Systematische Beteiligung von Betroffenen
Die Bevollmächtigte der EKD, Anne Gidion, hob die besondere Bedeutung der Beteiligung betroffener Personen für die Aufarbeitung hervor: „Als ständiger Gast im Beteiligungsforum erlebe ich die Herausforderungen, aber auch die Chancen einer systematischen und weitgehenden Beteiligung von Betroffenen." Die „Gemeinsame Erklärung“ sei der nächste wichtige Schritt der systematischen Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche. Anne Gidion betonte: "In der Kirche und in anderen gesellschaftlichen Feldern müssen betroffene Menschen intensiv und verbindlich in den Prozess eingebunden sein. Nur so kann die notwendige Aufarbeitung transparent gelingen.“
Einbindung unabhängiger Expert:innen
Es werden insgesamt neun „Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommissionen“ geschaffen, die regional für den jeweiligen Verbund aus Landeskirche/n und den analogen Landesverbänden der Diakonie zuständig sind. In ihnen arbeiten unabhängige Expert:innen aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und öffentlicher Verwaltung, Betroffene sowie Vertreter*innen der Landeskirchen und der Diakonie zusammen. Die unabhängigen Expert*innen werden durch die jeweiligen Landesregierungen benannt.
Vorgaben für die Arbeit der „Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen“
Die Kommissionen sollen transparent arbeiten und eine systematische sowie auf regionale Faktoren fokussierte Aufklärung von Fällen und Vorgängen sexualisierter Gewalt wie auch deren Evaluation ermöglichen. Ziel ist eine qualitative Stärkung von Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie. Institutionelle Aufarbeitung soll hierüber sichergestellt und durch bereits abgeschlossene wie auch aktuell laufende Aufarbeitungsstudien, -gutachten und -projekte fortlaufend ergänzt werden.
Entwicklung bis zur Unterzeichnung
Der Unterzeichnung ist ein intensiver Aushandlungsprozess vorausgegangen. Die Aussetzung des Betroffenenbeirates der EKD im Frühjahr 2021 verzögerte die Gespräche. In den 2022 fortgesetzten Gesprächen ist es gelungen, gemeinsam mit den Betroffenenvertreter*innen aus dem neuen Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt und kirchlichen Beauftragten der EKD und Diakonie eine Konzeption regionaler Betroffenenbeteiligung zu entwickeln.
Mehrstufiges Modell
Das mehrstufige Modell sieht zunächst jährliche Foren für Betroffene in allen Verbünden, die Benennung von Betroffenenvertretungen für die „Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen“ sowie die Mandatierung von Betroffenenvertreter:innen in den Kommissionen selbst vor. Diese Strukturen stellen einen kontinuierlichen Austausch zwischen den Kommissionen und Betroffenen sicher und bilden damit die Grundlage für eine grundsätzliche und umfassende Struktur der Betroffenenbeteiligung.
Die Unterzeichnenden und Beteiligten
Zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern gehören: Anne Gidion, die Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland sowie die Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Kerstin Claus. Erarbeitet wurde die „Gemeinsame Erklärung“ von EKD, Diakonie und UBSKM sowie maßgeblich durch Betroffenenvertreter*innen und kirchliche Beauftragte aus dem Beteiligungsforum sexualisierte Gewalt (BeFo) und der von der UBSKM eingerichteten Arbeitsgruppe Aufarbeitung Kirchen (bestehend aus Mitgliedern des Betroffenenrats bei der UBSKM sowie der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs).