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Die EKHN und der Ukrainekrieg
veröffentlicht 29.02.2024
von Martin Reinel
Der Krieg in der Ukraine fordert unvorstellbar viele Opfer. Wie steht die EKHN zu diesem Krieg? Sie verurteilt den Angriffskrieg Russlands und hält Waffenlieferungen für legitim. Aber die EKHN diskutiert auch darüber, welche Wege zu Frieden führen. Es gibt unterschiedliche Meinungen, wie Frieden erreicht werden kann. Ein Ende der Aggression und Gewalt zeichnet sich nicht ab. Wie geht alles weiter?
Der Krieg schürt Verunsicherung und die Sorge vor Ausweitung
Seit Februar 2022 führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Seither werden viele Menschen täglich Opfer von Krieg und Gewalt. Der Krieg dauert nun schon seit vielen Monaten an. Die Ukraine verteidigt sich gegen angreifende russische Truppen und versucht, besetzte Gebiete zurückzuerobern. Die Zahl der Opfer geht in die Hunderttausende.
Viele Menschen in der EKHN sind – wie in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen – weiterhin zutiefst erschrocken über diesen Krieg gegen die Ukraine. Die Sorge vor einer Ausweitung des Krieges bewegt sie. Viele sind zu tiefst verunsichert. Diskutiert wird, welche Wege zu Frieden führen können.
Grundsätzlich gilt für die EKHN: Niemand darf einseitig auf militärische Sicherheitsstrategien setzen. Rechtserhaltende Gewalt ist nötig, das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine ist unbestritten, die Unterstützung durch Waffenlieferungen ist ethisch legitim. Aber grundsätzlich gilt: „Prävention vor Intervention, zivil vor militärisch“. Denn die evangelische Kirche hält sich an das, was sie schon 2007 in einer Friedensdenkschrift festgehalten hat: „Wer den Frieden will, muss den Frieden vorbereiten.“ (Denkschrift der EKD, 2007: Aus Gottes Frieden leben - für gerechten Frieden sorgen)
Die EKHN verurteilt den Angriffskrieg. Waffenlieferungen sind legitim
Die Position der EKHN gegen den Angriffskrieg ist eindeutig. Die Synode, das höchste Gremium der EKHN, hat deshalb im Mai 2022 die Resolution „Nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden streben“ verabschiedet. Darin heißt es, dass die Menschen in der Ukraine ihr Leben, ihr Land und ihre Freiheit mit Recht verteidigten: „Wir halten es für legitim, sie in ihrer Verteidigung durch wirtschaftliche Sanktionen gegen den Aggressor und durch Waffenlieferungen zu unterstützen. Ziele müssen dabei ein Waffenstillstand und Verhandlungen sein, die ein friedliches Zusammenleben ermöglichen.“ Allerdings sollen die weltweiten Folgen des Krieges in den Blick genommen und die Diskussion über friedensethische Themen verstärkt werden.
Kritik an orthodoxer Kirche
Schon bald nach Beginn des Kriegs hat die EKHN die Orthodoxe Kirche Russlands scharf kritisiert, weil sie die russische Regierung unterstützt. EKHN-Kirchenpräsidenten Volker Jung sagte damals, angesichts des Krieges in der Ukraine seien Christinnen und Christen gefordert „zu beten, zu bekennen und zu handeln“. Deshalb habe er kein Verständnis für die Haltung des Oberhauptes der russisch-orthodoxen Kirche Kyrill I. Der hat den russischen Angriffskrieg wiederholt gerechtfertigt. Die weltweite ökumenische Bewegung fußt nach Ansicht Jungs dagegen auf dem Gedanken, „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein!“ Jung: „Es schmerzt sehr, dass Patriarch Kyrill in Moskau dies offenbar nicht so sieht.“ Jung: „Ich möchte ihm zurufen: Bruder Kyrill, kehren Sie um! Wir warten auf Ihr Nein zu diesem Krieg!“
Ethische Diskussion: Wie kann gerechter Frieden erreicht und gestaltet werden?
Mit der Fortdauer des Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wird immer deutlicher, dass der Konflikt eine vorher für verlässlich gehaltene Friedens- und Sicherheitsordnung zerstört hat. Im Frühjahr 2023 betonte Kirchenpräsident Jung vor der Synode, dass es aus evangelischer Sicht deshalb wichtig sei, eine „Grundorientierung“ beizubehalten, die den Frieden fördert. Es sei unter anderem „sehr problematisch, wenn die Lösung des gegenwärtigen Krieges in den Kategorien von Sieg und Niederlage gesucht wird.“
Evangelische Friedensethik kritisiert sicherheitspolitische Konzepte, die nationalistisch und militaristisch geprägt sind. Die messbaren und politisch umzusetzenden Elemente eines gerechten Friedens sind aus evangelischer Sicht: der Schutz vor Gewalt, die Abbau von Not, die Förderung der Freiheit sowie die Achtung kultureller und religiöser Vielfalt.
- Innerhalb der EKHN gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, welche ethischen Überlegungen richtig sind und welche Wege zu Frieden führen. Es ist davon auszugehen, dass eine Mehrheit innerhalb der Kirche Waffenlieferungen Deutschlands und des Westens an die Ukraine bejaht, und zwar im Rahmen der Unterstützung des legitimen Rechtes auf Selbstverteidigung. Allerdings wird von vielen gleichzeitig eine kritische Prüfung jeder einzelnen Maßnahme angemahnt, um nicht eine unkontrollierte Eskalationsspirale zu befördern. Und es wird zugleich gefordert, alle diplomatischen Wege zu nutzen, um möglichst umgehend einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen zu erwirken.
- Niemand in der Evangelischen Kirche unterstützt und will Krieg. Aber manche vertreten deutlich die Position, dass es in einer Welt voller Gewalt das Recht auf Selbstverteidigung gibt. Dann braucht es Institutionen und auch Armeen, die diese Gewalt begrenzen. Staaten müssen auf Aggression reagieren und wie die Ukraine im Ernstfall Waffen einsetzen, um Leben in Frieden und Rechtssicherheit wieder zu ermöglichen. Dabei soll man sie auch unterstützen.
- Dangegen vertreten manche in friedensethischen Diskussionen in der evangelischen und auch in der katholischen Kirche konsequent pazifistische Positionen. Sie lehnen jegliche Waffenlieferungen mit dem Argument ab, dass Waffen jeden Tag töten und den Krieg verlängern. So sagt zum Beispiel die evangelische Theologin und frühere Ratsvorsitzende Margot Käßmann: "Ich selbst habe mich als Pazifistin klar gegen Waffenlieferungen geäußert. Denn ich sehe in immer noch mehr Waffen keine Lösung, sondern eine Eskalation."
Für den Frieden beten und Kriegsopfer unterstützen
In der EKHN halten viele Gemeinden seit Beginn des Krieges regelmäßige Friedensgebete oder beten in den Sonntagsgottesdiensten ausdrücklich für den Frieden. Daneben führen viele Gemeinden, Pfarrkonferenzen, Dekanatssynoden und viele Veranstaltungen der evangelischen Erwachsenen- und Jugendarbeit intensive friedensethische Debatten. Inhaltlich spiegeln viele dieser Diskussionen die unterschiedlichen friedensethischen Positionen wider, die es in der Kirche und der Gesellschaft gibt.
In den Gemeinden wird die friedensethische Diskussion oft begleitet von diakonisch-praktischen Fragen zur Aufnahme und Unterstützung geflüchteter Menschen. Viele Gemeinden, Dekanaten und der Diakonie Hessen engagieren sich stark für Hilfesuchende aus der Ukraine und unterstützen zum Beispiele Angebote der Beratung, Begleitung und Betreuung von Geflüchteten in ihrem Einzugsbereich.
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