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Frauenbewegung in der EKHN
In der EKHN haben Frauen viel bewegt. Ehrenamtlich und hauptamtlich haben Sie sich für Chancengleichheit, Frieden und Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung eingesetzt. Ihre Errungenschaften prägen die EKHN bis heute.
Kirchenpräsident, Pfarrer, Dezernent – bis in die 1970er Jahre hinein brauchte es für diese Funktionen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau keine weibliche Sprachform. Die EKHN war eine „Männerkirche“. Zwar trugen hier wie auch in anderen evangelischen Kirchen Frauen an der Basis den größten Teil der gemeindlichen Aktivitäten. Doch auf der Entscheidungsebene, bei Leitungsaufgaben und in den Gremien waren die Männer präsent. „Frau Pfarrer“ war allenfalls die Ehefrau eines Pfarrers, die wenigen ordinierten Frauen, die es ab 1950 gab, mussten lange Zeit Nachteile hinnehmen, wollten sie vor dem Altar agieren.
Gleichstellung im Pfarramt
Mit der 68er-Bewegung, in deren Verlauf auch die autonome zweite Frauenbewegung entstand, bewegte sich auch in der EKHN einiges. So war die EKHN die erste, die 1971 Männer und Frauen im Pfarramt völlig gleichgestellt hat. Heute (Stand Mai 2018) gibt es 682 Pfarrerinnen und 924 Pfarrer in der EKHN. Neben Theologinnen in kirchlichen Ämtern sind zahlreiche Frauen auch als Juristinnen, Sozialpädagoginnen oder in anderen Fachämtern tätig. Mit Geduld und Hartnäckigkeit, manchmal auch mit Zorn und kämpferischer Kraft setzten sich ehren- und hauptamtlich engagierte Frauen für die Gleichberechtigung in ihrer Kirche sein.
Theologische und weltliche Forderungen
Die Frauenbewegung in der EKHN vertrat in vielem gleiche Inhalte wie die zweite Frauenbewegung. Sie setzte aber auch eigene Schwerpunkte. Innerhalb der Kirche vertrat sie theologische und kirchenpolitische Anliegen. Bei ihren theologischen Forderungen ging es den Frauen darum, andropozentrische, das heißt männerzentrierte Gottesbilder aufzulösen und die Lebenswelt von Frauen in der Theologie explizit zu berücksichtigen. Ihre christlichen Überzeugungen sollten auch im Alltag der Kirche Konsequenzen haben, zum Beispiel im Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit, die unter anderem zur Einrichtung eines Friedenspfarramts führte, das bis heute noch existiert.
Geschlechtergerechte Sprache
Kirchenpolitisch konzentrierte sich die Frauenbewegung auf die Forderungen nach einem gleichberechtigten Zugang von Frauen zu allen Gremien und Ämtern, nach neuen inklusiven Liturgien und einer geschlechtergerechten Sprache in kirchlichen Veröffentlichungen. Die Frauen, Ehrenamtliche und Hauptamtliche, vernetzten sich in der EKHN und international – mit Erfolg.
Meilensteine auf dem Weg zur Gleichstellung
- 1986 nahm die Synode im Rahmen der Ersten Frauenanhörung bewusst die Perspektive von Frauen wahr. Das führte zur Gründung der Arbeitsstelle Frauen
- 1997 verabschiedete die EKHN als eine der ersten Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ein Gleichstellungsgesetz.
- 2002 verabschiedete die Synode eine neue Kirchenordnung in geschlechtergerechter Sprache. Zudem unterstützte die EKHN das Projekt „Bibel in Gerechter Sprache“, das bundesweit überwiegend von Privatpersonen gefördert wurde. Die Geschäftsführung des Projekts übernahm EKHN-Pfarrerin, Dr. Hanne Köhler, Schirmherr wurde der damalige Kirchenpräsident Prof. Dr. Peter Steinacker.
Initiativen und Errungenschaften
Die Stationen auf dem Weg dahin waren so vielfältig wie die Lebenswege der Frauen, die sie angestoßen und maßgeblich mitgeprägt haben. Die Frauenwerkstätten Feministische Theologie, die Arbeitsstelle Frauen in der Kirche, eine Projektstelle zu frauenspezifischer Seelsorge und Liturgie, das von einer Frau besetzte Friedenspfarramt, das evangelische Frauenbegegnungszentrum sowie die weit über Hessen-Nassau ausstrahlende Aktion „Kauft keine Früchte der Apartheid“ sind nur einige der Initiativen und Errungenschaften.
Frauen in Leitungsämtern
Parallel dazu kamen immer wieder Frauen in leitende Ämter. 1980 wurde Waltraud Frodien als erste Frau innerhalb der EKD und in Europa zur Dekanin gewählt. Die EKHN-Synode wählte Helga Trösken 1987 zur Pröpstin, die erste Frau in einem bischöflichen Amt. 1986 scheiterte Eva Renate Schmidt zwar mit ihrer Kandidatur zur stellvertretenden Kirchenpräsidentin, wurde aber im gleichen Jahr zur stellvertretenden Präses der Synode gewählt. 20 Jahre später wählte die Kirchensynode Cordelia Kopsch ins Amt der Stellvertreterin des Kirchenpräsidenten.
Netzwerke und Gruppen
In dem 1985 von Ute Knie, Andrea Braunberger-Myers und Irene Dannemann gegründeten Netzwerk „Frauen in der Kirche“ fanden Initiativgruppen und engagierte Frauen ihren Ort für regelmäßigen Austausch.
Es geht intersektional weiter
Heute scheint vieles in Sachen Gleichstellung erreicht und selbstverständlich. Heute ist Intersektionalität eine Herausforderung für die Frauenbewegung, um mehrfache Differenzen zu erkennen. Es gibt vielfältige Unterscheidungen aufgrund des Geschlechts, der Rasse, Nationalität, Ethnizität, Hautfarbe, Religion, Kultur, sozialer Status, Alter, Gesundheit, Sexualität. Dabei sind wir auf einem guten Weg durch das solidarischen Handeln vieler engagierter Frauen in der Kirche - und mancher Männer. Und dieser Weg ist längst nicht am Ende.